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ten Opiumkriegen, an denen vorrangig England, aber auch die anderen an einem freien
Handel interessierten Mächte beteiligt waren (  1839–42 und 1856–60  ). Nach deren Sieg
durften in der bis dahin geschlossenen Stadt Peking ausländische Botschaften errich-
tet werden, der Opiumhandel wurde legalisiert und China zur Ă–ffnung der wichtigsten
Handelshäfen für Ausländer und zur Duldung eines weitgehend unbeschränkten Han-
dels verpflichtet. DarĂĽber hinaus erhielten die christlichen Kirchen das Recht zur Missi-
onstätigkeit. Als offizielle Verkehrssprache wurde Englisch bestimmt. Schließlich setzten
die siegreichen Westmächte auch das Recht durch, auf dem chinesischen Festland Kon-
zessionen, d. h. privilegierte Enklaven fĂĽr die eigenen Landsleute, zu errichten. In Tient-
sin wurden die ersten Konzessionen von GroĂźbritannien, Frankreich und den USA an-
gelegt. Die deutschsprachige Gemeinde bzw. das Deutsche Reich erhielt erst im Jahr
1885 eine Konzession. 1902 wurden die amerikanischen Gebiete der britischen Konzes-
sion eingegliedert.
Die Ergebnisse der Opiumkriege, die unter der Bezeichnung »Ungleiche Verträge« in
die Geschichte Chinas eingingen, schadeten der chinesischen Wirtschaft immens, und
eine unvorstellbare Massenarmut war die unmittelbare Folge. Einer Reihe verheerender
Naturkatastrophen verschärfte die Situation zusätzlich.
Im Jahr 1900 erhob sich eine religiöse, gegen das Christentum gerichtete, extrem
ausländerfeindliche Bewegung im sogenannten Boxeraufstand gegen die Fremden, und
zwar gegen die Missionare ebenso wie gegen die ausländischen Kaufleute und sonsti-
ge Zuwanderer. Der Aufstand wurde schließlich mithilfe des ausländischen Militärs nie-
dergeschlagen. An der internationalen Eingreifflotte war auch die österreichisch-ungari-
sche Monarchie mit der S. M. S. Zenta beteiligt, einem kleinen Kreuzer der Kriegsmarine,
der sich zu diesem Zeitpunkt gerade in japanischen Gewässern befand. Die Kampfhand-
lungen fanden unter anderem bei den Taku Forts an der MĂĽndung des Pei Ho statt und
griffen auch auf das Stadtgebiet Tientsin ĂĽber.
Im Zuge der allgemeinen Verwirrung, die durch die Kampfhandlungen entstanden
war, wurden die bestehenden Konzessionen in Tientsin erweitert bzw. neue von den Län-
dern Russland, Japan, Italien und Belgien erworben. Auch Ă–sterreich-Ungarn akquirierte
ein Gebiet der Stadt, das im Vertrag mit Peking im Jahr 1901 aufgrund der Hilfe bei der
Niederschlagung des Boxeraufstandes als Konzession der Habsburgermonarchie aner-
kannt wurde. (  Farbabb. 23  )
Laut Hörtler41 scheint dieser »Erwerb« der österreichisch-ungarischen Konzession in
einer Nacht-und-Nebel-Aktion erfolgt zu sein: Bei Anbruch der Dämmerung wurden mit
Tafeln und Flaggen die Grenzen möglichst unauffällig abgesteckt und die Chinesen am
41 G. Hörtler: Die österreichisch-ungarische Konzession in Tianjin. 2 Bde. Wien 1984
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂĽnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
- Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273