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China 194
zur Zahlung von fast 60. 000,– $ verurteilt. Ich für meinen Teil verhandle schon länger
mit der Bank um gegen Zahlung von einigen Tausend Dollars in Raten einen Ausgleich
zu treffen, und ich bin sicher, das mir dies gelingen wird, aber es braucht Zeit, denn die
Leute müssen erst zur Überzeugung gebracht werden dass sie andernfalls so gut wie
nichts zu erwarten haben. Ich muss also meine pekuniäre Lage so schlecht wie möglich
erscheinen lassen und habe mit Skoff deshalb proforma ein Anstellungsabkommen das
mir nur geringes Einkommen gewährt.« Rolf schreibt dann weiter, dass er aufgrund die-
ser Konstellation seine für den Winter angesparten Reserven auf kein Bankkonto einzah-
len kann und außerdem auch »sonstige kleine Transaktionen bei denen ich gute Verzin-
sung des Geldes bekommen könnte«, unmöglich geworden sind. Wenn man die damals
noch schwierige Kommunikation zwischen China und Österreich bedenkt, ist es bemer-
kenswert, welch mühsamen Weg sich Rolf sodann ausdachte, um seine finanzielle Lage
zu erleichtern bzw. sein Geld zu sichern. Er beschloss nämlich, alle »Gelddepots, Geld-
transaktionen wie Hypotheken, Ankäufe oder was da vorkommen könnte« auf den Na-
men seiner Schwester Greta in Österreich zu überschreiben. Ihre Aufgabe war sodann,
Rolfs Freund, dem österreichischen Honorarkonsul Paul Bauer, eine Generalvollmacht
auszustellen, der wiederum Rolf eine Subvollmacht erteilte. Auf diese Weise konnte Rolf
alle notwendigen Schritte unternehmen und nur bei »offiziösen Schritten« würde Bauers
Unterschrift auftauchen. Sehr gezielt hat Rolf für diese Aktion Bauer ausgewählt. Denn
wenn auch vorgesehen war, dass dieser nur als Privatmann in Erscheinung treten sollte,
so war doch klar, dass jedermann den Konsul kannte und er daher, wie Rolf meinte, die
»Sicherheit der Unantastbarkeit« garantierte.
Nach dem Ausscheiden aus der Firma Yuen Fu Co. begann für Rolf wieder eine sehr
arbeitsintensive Zeit. Er, dessen Ruhe bislang unerschütterlich schien, wirkte nun zeitwei-
se recht nervös und gehetzt. Zunehmend stellten sich jedoch Erfolge ein, und Hermine
schreibt am 29. Jänner 1925, dass Rolf »viel zu tun, und auch einige lohnende Aufträge«
habe. »Ich freue mich ja ganz besonders darüber, ich konnte schon dieses übermässige An-
spannen aller Kräfte Rolfs nicht mehr mitansehen.« Auch die Zusammenarbeit mit seinem
Juniorpartner funktionierte klaglos, wobei weitgehend eine Arbeitsteilung vorgenommen
wurde: Rolf war nicht nur der verantwortliche, sondern auch der entwerfende und planen-
de Architekt, während Skoff vor allem für die ingenieursmäßigen Bereiche zuständig war.
Rolfs größter Erfolg in dieser Zeit war die Planung und Errichtung des Deutsch-Ame-
rikanischen Spitals in Tientsin, das im November 1926 eröffnet wurde, wie Rolf im glei-
chen Monat seiner Mutter schrieb, um sodann fortzufahren, dass er daneben noch an-
dere Projekte in Arbeit habe, die ihm allerdings weniger Freude bereiteten: »Leider sind
die wenigsten Arbeiten künstlerisch befriedigend, und viele überhaupt nur Bauausfüh-
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273