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Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Seite - 228 -
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China 228 den Unterschied zur europäischen Anschauung. Denn anders als in Europa hatte in Chi- na Holz keineswegs den Nimbus eines billigen Materials, sondern wurde aufgrund der jahrtausendealten Tradition und der Möglichkeit zur kunstvollen Bearbeitung mehr ge- schätzt als Steinmaterial, aus dem dann auch nur das weniger wichtige Eingangstor der Anlage gefertigt wurde. Schmückende Reliefs lassen erkennen, dass man aber durchaus auch mit diesem Material umzugehen verstand. Wiederum erstaunt, dass Hermine die Besonderheiten dieser Konstruktion nicht ana- lytischer in den Blick nimmt und die herausragenden Leistungen der traditionellen chi- nesischen Holzbauweise mit keiner Silbe würdigt. Aber auch der Exotismus dieses Am- bientes vermochte sie offenbar nicht in seinen Bann zu schlagen. Wie Rolf als Architekt diesen Theaterbau beurteilte, ist leider nicht bekannt. Laut Hermines Bericht erlebte das Ehepaar eine für China typische Vorstellung: Wie üblich wurde eine Heldensage aufgeführt, und wichtige und gekonnt dargebrachte Pas- sagen wurden vom Publikum mit einem kräftigen »Hau hau« quittiert. Die Solostimmen waren halb gesprochen, halb in Falsetttönen dargebracht. Der Gesang wurde von ei- nem kleinen Orchester begleitet, das aus chinesischen Violinen, einer Art Zither, einem Oboe-ähnlichem Blasinstrument und einer Reihe von Gongs bestand. Der Koordination des Orchesters und der Gesangsstimmen wurde allerdings keine große Bedeutung bei- gemessen, zum Teil schien es zu improvisieren, während die Darsteller ihren Part unbe- irrt sangen. Alle Rollen, d. h. auch die Frauenrollen, wurden von Männern wahrgenom- men. Jeder Schauspieler wurde von seinem eigenen Diener begleitet, der sich auch auf der Bühne aufhielt und dessen Hauptaufgabe darin bestand, dem Sänger nach einer besonders schwierigen Gesangspassage eine Tasse Tee zu reichen. Beeindruckend fand Hermine die prachtvollen Kostüme. Bühnenbild gab es indes- sen praktisch keines. Nach Bedarf wurden Sessel, ein Tisch oder sonstige einfache Re- quisiten während der Vorstellung auf die Bühne gebracht. Ein Fluss wurde beispielweise durch ein blaues Tuch dargestellt. Umso mehr wurde von den Schauspielern der Inhalt durch eine expressive Körpersprache zum Ausdruck gebracht. Eine kuriose »Nebenhandlung«, über die Hermine in dem bereits genannten Brief vom Februar 1922 ihren Eltern berichtete, dürfte Rolf und Hermine gleichermaßen ver- wundert haben. Sie schreibt, dass es üblich war, während der Vorstellung heiße, feuchte Tücher zu benützen, um sich damit die Hände und das Gesicht zu wischen, so wie das auch nach einem Essen Brauch war. »Gewöhnlich stehen drei Boys im Saal verteilt und werfen sich gegenseitig einen Pack Tücher zu – der letzte bedient das Publikum, auf ei- ner anderen Linie schleudert er sie zurück, aber immer einzelweis, sofort nach dem Ge- brauch. So schwirrt es andauernd in der Luft. In Teehäusern ist es die nämliche Sache.« Auch diese ständige Unruhe und Betriebsamkeit im Zuschauerraum waren Rolf und
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Rolf Geyling (1884-1952) Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rolf Geyling (1884-1952)
Untertitel
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Autor
Inge Scheidl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79585-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Revolte und Reife 8
  2. Eine Künstlerfamilie 9
  3. Zwischen Abenteuer und Architektur 15
  4. Mädy 35
  5. Mobilisierung und Krieg 41
  6. Der Weg an die Ostfront 41
  7. Die Schlacht von Lemberg 48
  8. »Durch Landesbewohner verraten« 59
  9. Die Sanoffensive 62
  10. Schlacht bei Krakau 65
  11. Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
  12. Die »Angriffshast« der Infanterie 68
  13. Warten auf Befehle 70
  14. Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
  15. Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
  16. Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
  17. Kriegsgefangenschaft 91
  18. Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
  19. »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
  20. Die Jahre in Sibirien 96
  21. Der Transport in die Lager 96
  22. Dauria 115
  23. Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
  24. Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
  25. Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
  26. China 173
  27. Ankunft 173
  28. Dies ist ja eine Übergangszeit 182
  29. Aufträge und Rückschläge 189
  30. Das architektonische Werk 199
  31. Städtebauliche Planungen 203
  32. Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
  33. Villen 214
  34. Miethäuser 221
  35. Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
  36. Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
  37. Sehnsucht nach Österreich 238
  38. Ewige Ungewissheit 247
  39. Lao Gai Lin 257
  40. Epilog 265
  41. Literatur 269
  42. Bildnachweis 272
  43. Farbteil 273
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