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Barocke Möbel und sakraler Raum |
63Prunkappartements,
Zeremo iell und Liturgie
Beichtstühle
In der Stiftskirche Dürnstein stimmen verschiedene Gestaltungsmerkmale des Chor-
gestühls und der Türen im Altarraum sowie in den Seitenkapellen überein, in einem
der nächsten Abschnitte wird darauf einzugehen sein. Ein anderes Erscheinungsbild
wurde dagegen für die um 1725/29 erzeugten Beichtstühle in Dürnstein gewählt.
Propst Hieronymus Übelbacher muss diesen formal-ästhetischen Bruch beabsichtigt
haben, um auch mithilfe der Tischlerarbeiten Unterschiede in der Bedeutung des Kir-
chenraums für den Ritus zu betonen.129 Dennoch war sein Anspruch an die Qualität
der unter der Westempore aufgestellten Beichtstühle außerordentlich hoch, was dem
Umstand Rechnung trug, dass in den Jahren um 1700 die Läuterung der Gläubigen
durch die Kraft der Beichte und die Spendung des Bußsakramentes eines der zentra-
len ikonographischen Motive im Eingangsbereich katholischer Sakralbauten in Öster-
reich war.130 Büßerfiguren auf den Dürnsteiner Beichtstühlen sowie seitlich der Möbel
angebrachte Reliefs mit szenischen Darstellungen erläutern diese Thematik, unterstri-
chen wird das eindrucksvolle Bild der Reinigung von Geist und Körper durch große
Weihwasserbecken, die Übelbacher dort aufstellen ließ.131 Und wieder liegt die Ver-
knüpfung der Möbel mit dem Baukörper auf mehreren Ebenen vor. Denn zusammen
mit den inhaltlichen Botschaften, die in diesem Raumabschnitt vermittelt werden,
schließen die Beichtstühle Nischen in der Kirchenaußenwand, wobei die Plastiken
auf den Möbeln bis knapp unter den Abschlussbogen der Einbuchtungen reichen. Of-
fensichtlich plante man die Möbel unter bestmöglicher Ausnutzung der räumlichen
Gegebenheiten, sie sind bedeutender Teil einer bewussten Gestaltung des Baukörpers.
Die Beichtstühle in Bad Mehrn, Innsbruck, Kramsach und Vomp (Abb. 290, 302,
318, 343–346) sind zwar ebenfalls in Mauernischen eingesetzt, aber auf geistiger Ebene
sehr viel lockerer in den Umraum integriert. Dennoch unterscheiden sie sich grund-
legend vom überwiegenden Teil der für die Studie untersuchten Confessionalen, denen
ein scheinbar zufällig gewählter Platz im Kirchenraum zugewiesen wurde.132 Während
die um 1725 gefertigten Beichtstühle in Zwettl durch Bildnisse von Büßern immerhin
noch gedanklich auf den Sakralraum verweisen, existieren in vielen anderen Kirchen
Exemplare, die man ohne jegliche Beziehung zur Umgebung scheinbar willkürlich an
irgendeinem Platz positionierte. Beispiele hierfür werden in der Wiener Schotten-
kirche (1720er-/40er-Jahre), in Neuberg (um 1735/40 ; Abb. 212) oder in Vorau (um
129 Vgl. hierzu auch Bohr, Sakralmöbel (2017), 271–273.
130 Euler-Rolle, Form (1983), 61.
131 Kain/Penz, Inszenierung (2010), 133–136.
132 Zum Aufstellungsort der Beichtstühle im Kirchenraum vgl. Bohr, Sakralmöbel (2017), 91.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 628
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587