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Zeittypische Stilbildungen |
73Zur
Vermittlung und Weitergabe neuer Form
Abb. 152), die Bänke in Vorau von 1724 (Abb. 279, 280) oder die Gestühle in Rein
und Bregenz aus den 1740er-Jahren (Farbtaf. 32 ; Abb. 244, 246, 380) dokumentieren
diese Entwicklung recht anschaulich. Pilasterbasen und Sockelleisten, Pilasterkapi-
telle und Gebälke liegen jetzt auf einer Ebene und durchdringen sich gegenseitig. Mit
Ornamenten reliefierte Bänder ersetzen die Stützen und lassen aus einem statischen
und steifen Gebilde ein bewegtes, oft auch naturalistisch überformtes Band entstehen.
Pilaster und Säulen sind nicht mehr unverzichtbarer Bestandteil eines tektonischen
Systems, das die Möbelfassaden zu tragen scheint, sondern werden zu einem reinen
Ziermotiv.
Zur Vermittlung und Weitergabe neuer Formen
Der Transfer künstlerischer Inventionen vollzog sich auf verschiedenen Wegen : Zu-
nächst informierten sich naturgemäß die Architekten über die Inventionen ihrer Kolle-
gen und beobachteten sehr genau das Baugeschehen unter deren Leitung. Künstler wie
Johann Lukas von Hildebrandt (1668–1745) und Johann Bernhard Fischer von Erlach
(1656–1723) gingen zum Studium ins Ausland, Vorlagenstiche von Architekten und
Ornamentkünstlern waren europaweit käuflich zu erwerben. Darüber hinaus standen
die österreichischen Äbte und Prälaten untereinander in engem Kontakt, auf ihren
Reisen hatten sie ausgiebig Gelegenheit, sich durch Vergleiche eine gewisse Kompe-
tenz in Fragen der Kunst anzueignen. Ihr Interesse daran belegt der Umstand, dass
viele Äbte aktiv in die Planungen von Um- oder Neubauten ihrer Klöster eingriffen.
Hieronymus Übelbacher (reg. 1710–1740), Propst des ehemaligen Chorherrenstifts
Dürnstein, suchte sogar verschiedene Abteien und Weltkirchen mit dem erklärten Ziel
auf, sich Anregungen für die Renovatio seiner Klosteranlage zu holen. Dabei erkun-
digte er sich nach Künstlern und Handwerkern, deren Erzeugnisse ihn überzeugten.159
Weiter standen bei umfassenden Bauvorhaben neben den festangestellten Handwer-
kern eine ganze Reihe von Tagelöhnern bei den Klöstern in Lohn und Brot, da zusätz-
liche Mitarbeiter benötigt wurden. Nach Fertigstellung der Baumaßnahmen begaben
sich die Arbeitskräfte zur nächsten Großbaustelle auf den Weg. Zudem forderten die
Zunftregeln von den Gesellen räumliche Mobilität. Infolgedessen kamen Handwer-
ker aus allen deutschsprachigen Gebieten nach Österreich, darüber hinaus aber auch
aus Frankreich und Norditalien, aus Mittel- und Südosteuropa, sogar aus Polen und
Schweden.160 Einige Gesellen erhielten geistliche Weihen und traten als Konversen in
159 Penz, Kalendernotizen (2013).
160 Diese Thematik wird im dritten Band der Studie erörtert.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 628
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587