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der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismus
Kirchensprache zu begründen, die er auf dem Terrain der Habsburger-
monarchie ansiedelte und mit dem lateinisch-römischen Ritus verband.
Kopitars Wiederentdeckung einer slawischen Koine, deren Anfänge
er in der lateinischen Kirche verankerte, bezog ihre Bedeutung aus
der konfessionellen Geopolitik der Habsburgermonarchie im frühen
19. Jahrhundert. Kopitar belegte die historische Aufgabe der Monar-
chie als Schutzmacht des Slawentums und verband diesen Nachweis
mit der Rolle der katholischen Kirche als Kulturbringerin der Slawen.
Damit versuchte er dem orthodoxen Altkirchenslawischen in ky-
rillischer Redaktion das Wasser abzugraben, und für die orthodoxen
habsburgischen Untertanen eine Vernakularisierung ihrer Liturgie
sowie eine Säkularisierung des Unterrichtswesens zu erreichen. So
speiste Kopitars Forschungsanliegen seine Stellungnahme gegen die
Begehrlichkeiten Russlands, die sich auf die österreichischen Slawen
richteten, wobei die orthodoxe Kirchenhierarchie dem Zarenreich viel-
fältige Kanäle der Machtausübung bot.158 Kopitars Rückgriff auf das
josephinische Erbe war dabei zweischneidig: Er bediente den älteren
Dünkel der aufgeklärten Katholiken, die sich den Orthodoxen kulturell
überlegen fühlten159 und brachte den Primat der Territorialkirchlich-
keit gegen die ausländischen Oberhäupter der Orthodoxie ins Spiel.
Damit war Kopitar am Puls der Zeit, zugleich machen seine Artikel
und Denkschriften aber den fundamentalen Wandel imperialer Strate-
gien im frühen 19. Jahrhundert greifbar, belegen sie doch die Abkehr
vom Imperativ der Rekatholisierung.
Noch unter Maria Theresia hatte ja die religiöse Einförmigkeit als
Staatsziel gegolten, Ausnahmeregelungen gab es in den Erbländern mit
Ausnahme Schlesiens und Triests lediglich für winzige Siedlungsein-
sprengsel: Für die Niederlassungen nichtkatholischer Kaufleute so-
wie für jene vom Zechen- und Zunftzwang befreiten andersgläubigen
Handwerker, Manufakturgründer und Bankiers, deren Wertschöpfung
dem fürstlichen Schatz zugutekam.160 Die orthodoxe Bevölkerung, der
158 Ulrike Tischler, Die habsburgische Politik gegenüber den Serben und Mon-
tenegrinern 1791-1822. Förderung oder Vereinnahmung?, München 2000,
121, 297-299 (über den Vorschlag des Hofkriegsrats, die »moskovitische
Kirchensprache« im Metropolitangebiet von Karlowitz / Sremski Karlovci
durch das Griechische zu ersetzen).
159 Fillafer, Whose Enlightenment?, 113.
160 Vgl. Kap. III.3. Zusammenschau bei Klingenstein, Modes of Religious Tol-
erance and Intolerance; fundierter kritischer Kommentar bei Derek Beales,
Joseph II, Bd. I, In the Shadow of Maria Theresa, Cambridge 1987, 467;
Elemér Mályusz, A türelmi rendelet. II. József és a magyar protestantizmus
[Das Toleranzpatent. Joseph II. und der ungarische Protestantismus], Bu-
Aufklärung habsburgisch
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
- Titel
- Aufklärung habsburgisch
- Untertitel
- Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
- Autor
- Franz Leander Fillafer
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3745-9
- Abmessungen
- 14.0 x 22.2 cm
- Seiten
- 628
- Schlagwörter
- Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
- 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
- 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
- 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
- 4. Zwischenresümee 49
- 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
- 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
- Ergebnisse 64
- II. Die katholische Aufklärung 67
- 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
- 2. Die theresianischen Reformen 71
- 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
- 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
- 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
- 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
- 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
- Ergebnisse 122
- III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
- 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
- 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
- 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
- 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
- 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
- 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
- 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
- Ergebnisse 192
- IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
- 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
- 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
- 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
- 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
- 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
- 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
- Ergebnisse 252
- V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
- 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
- 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
- 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
- 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
- 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
- 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
- 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
- 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
- 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
- Ergebnisse 331
- VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
- 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
- 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
- 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
- 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
- 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
- 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
- 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
- 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
- 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
- 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
- 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
- Ergebnisse 443
- VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
- 1. Die Josephiner und die Revolution 455
- 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
- 3. Josephiner versus Romantiker 471
- 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
- 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
- Ergebnisse 492
- VIII. Überblick 497
- IX. Was war Aufklärung? 513