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Vorwort und Inhalte
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GefĂŒhlsleben nichts gemein und ist gĂ€nzlich autonome Klangstruktur, die man
sachlich begreifen, niemals affektiv erfassen könne. Das einzige richtige Vehi-
kel, um unsterbliche musikalische Schönheit angemessen einzufangen, sei fĂŒr
ihn die technische Musikanalyse, die durch ihren ahistorischen Formalismus
und methodischen Positivismus die objektiv bindende Wertung des analysier-
ten Gegenstands ermögliche: âDie Musik besteht aus Tonreihen, Tonformen,
diese haben keinen andern Inhalt als sich selbstâ (VMS, S. 162).
So oder doch so Àhnlich gestaltet sich die Hanslick-Rezeption, der bestÀn-
dig gepflegte Gemeinplatz vom âFehlkritikerâ und âFormalistenâ, der nicht ein-
zig in populĂ€ren Textsorten wie KonzertfĂŒhrern, EnzyklopĂ€dien oder auch
allgemeinen Ăbersichten aufscheint, sondern ebenso in wissenschaftlichen
Fachpublikationen konstant figuriert. Nochmals: Hanslick ist ein Klischee.
Wie das Klischee âHanslickâ jedoch jeweils ausfĂ€llt, also welche spezielle, meis-
tens verzerrte Deutung seiner Àsthetischen Abhandlung im isolierten Einzel-
fall dominiert, ist oftmals weniger von der individuellen Interpretation des
jeweiligen Exegeten abhĂ€ngig als von der ĂŒbergeordneten Diskursformation,
der selbiger angehört. So ist es fĂŒr den deutschsprachigen Musikwissenschaft-
ler sicherlich mĂŒhevoll, Hanslicks Hypothese ohne den sie umgebenden Wag-
nerdiskurs aufzufassen, wÀhrend anglophone Fachkollegen sie wohl kaum von
der Formalismus-Diskussion der âNew Musicologyâ trennen können, bei der
Hanslick als zentraler VorlÀufer von Heinrich Schenker gilt. Angloamerikani-
sche Kunstwissenschaftler mit theoretischer Interessenlage werden Hanslicks
VMS-Traktat dagegen vielmehr vor dem ihnen besser vertrauten Hintergrund
von Clive Bells Art (1914), dem englischen Archetypus der formalen Ăsthe-
tik, betrachten, wĂ€hrend analytische Philosophen oft direkte BrĂŒcken zur ver-
meintlichen GrĂŒndungsschrift des Ă€sthetischen Formalismus, Kants Kritik der
Urteilskraft (1790), bauen. Wenn mit der vorliegenden Untersuchung auch eine
ĂŒbergreifende Rekonstruktion der Hanslick-Rezeption im englischen Sprach-
raum erarbeitet wird, muss doch eingangs deutlich gemacht werden, dass diese
stets auf distinkte Diskurse referiert, die Hanslicks Abhandlung sowie deren
lokal und disziplinÀr gebundene Auslegung betrÀchtlich beeinflusst haben. Die
ĂŒberaus bewegte Geschichte der Hanslick-Rezeption ist folglich zugleich die
Geschichte der Narrative und Diskurse, die Hanslicks VMS-Traktat effekt-
reich umschlieĂen und die etliche partiell unvereinbare Explikationen seiner
nuancierten Monographie adÀquat erhellen können. Warum gerade dessen
âenglischeâ Rezeption informativ ist, liegt nicht einzig daran, dass hier eine
rĂŒhrige Debatte ĂŒber formale Ăsthetik in diversen Kontexten gefĂŒhrt worden
ist, sondern ebenso daran, dass Hanslicks Hypothese als Teil der analytischen
MusikĂ€sthetik Ă€uĂerst prĂ€sent ist, was zu der Frage fĂŒhrt, wie das historisch
begrĂŒndet werden könnte.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423