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1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie
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1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie
Glatt, die mit ihrer Heidelberger Dissertation eine mutmaßliche Weiterfüh-
rung und inhaltliche Abwandlung des romantischen Musikdenkens durch
Hanslick zeigen wollte und dafür einige zentrale Begriffe (‚Phantasie‘, ‚Ara-
beske‘, ‚Form‘) demgemäß deduzierte,34 hat die dargelegte Problematik deut-
lich erkannt: „Die Frage, in welchem Umfang und ob überhaupt Hanslick di-
rekt romantische Theoreme rezipiert hat, dürfte im einzelnen schwer zu be-
legen sein.“35 Doch wird ihre vollauf richtige Diagnose umgehend dergestalt
gewendet, dass man bei dem beachtlichen „Bildungsgrad[ ] und der außerge-
wöhnlichen Belesenheit Hanslicks“ jedenfalls vermuten könne, „daß er die ro-
mantischen Kunsttheorien gekannt hat“.36 Herders Negation des kantianischen
‚Subjektivismus‘ (Kap.Â
4.1) und sein explizites Eintreten für die „aesthetische[Â
]
Gegenstandsanalyse“ reichen bereits, ihn als „Vorläufer Hanslicks“ vorbehaltlos
aufzufassen,37 da man bei ihm die basale Maxime findet, „daß in ästhetischen
Untersuchungen vorerst das schöne Object, und nicht das empfindende Subject
zu erforschen sei“ (VMS, S. 22). Tatsächlich bedenklich wird dies aber, wenn
Walter Benjamins Deutung von Fichtes Denken dazu dient, Hanslicks Defini-
tion des Begriffs ‚Formen‘ der romantischen Kunsttheorie einzugliedern, ohne
welche selbige „schwerlich einzusehen wäre“.38 Dass Hanslicks Konzeption der
autonomen ‚Kunstmusik‘, die von ‚weltlichen‘ Zuständen komplett separiert
ist und die somit nicht in Sprache übersetzt werden könne, solche romantischen
Ausgangspunkte zweifellos nahelegt, soll hier mitnichten abgestritten wer-
den.39 Die spezifische Herleitung seiner damals durchaus gängigen Grundsätze
34 Dorothea Glatt, Zur geschichtlichen Bedeutung der Musikästhetik Eduard Hanslicks, München
1972, S. 40–62 (‚Phantasie‘, S. 44–49; ‚Arabeske‘, S. 49–55; ‚Form‘, S. 55–62).
35 Ebda., S. 55.
36 Ebda., S. 55.
37 Ebda., S. 32 und 35. Zu Hanslick und Herder siehe etwa auch: ebda., S. 28–39; Rafael
Köhler, „Johann Gottfried Herder und die Überwindung der musikalischen Nachah-
mungsästhetik“, in AfMw 52/3 (1995), S. 205–219, hier S. 219; Adolf Nowak, „Musik-
ästhetische Kant-Repliken aus Weimar und Jena um 1800“, in Aufbrüche – Fluchtwege.
Musik in Weimar um 1800, hrsg. von Helen Geyer und Thomas Radecke, Köln/Weimar/
Wien 2003, S. 25–37, hier S. 32f.
38 Glatt, Eduard Hanslick (wie Anm. 34), S. 56. Zur Kritik an Glatts These vgl.: Grimm,
Zwischen Klassik (wie Anm.Â
19), S.Â
28–38; Wolfgang Auhagen, Studien zur Tonartencharak-
teristik in theoretischen Schriften und Kompositionen vom späten 17. bis zum Beginn des 20. Jahr-
hunderts, Frankfurt u.a. 1983, S. 155–158; Ulrich Tadday, „Musik im metaphysischen
Vakuum: Wackenroders Kritik der Metaphysik der Instrumentalmusik“, in Mth 23/1
(2008), S. 71–76.
39 Zu den romantischen Teilelementen von Hanslicks VMS-Traktat vergleiche allgemein:
Rudolf Schäfke, Geschichte der Musikästhetik in Umrissen, Tutzing ²1964, S.Â
377–381; Dieter
Breitkreutz, Die musikästhetischen Anschauungen Eduard Hanslicks und ihre Gültigkeit in der
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423