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2.3. Legendenbildung: die absolute Ăsthetik Hanslicks
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direct acquaintance of what his theory tells him cannot be.â Kivy schlieĂt hie-
raus: â[N]ature defeats theory and Hanslick becomes an emotivist âmalgrĂ© luiâ.
He cannot but describe music in emotive terms, because the emotive properties
simply will not be denied: they will be heard, and Hanslick has the ear to hear
them.â414 Kivys Fazit ist hier aber der rigoristischen Interpretation von Hans-
licks VMS-Traktat verpflichtet,415 von dem die affektive Wirkung der musi-
kalischen Komposition niemals negiert, sondern vielmehr bekrÀftigt wurde:
âJedes wahre Kunstwerk wird sich in irgend eine Beziehung zu unserm FĂŒhlen
setzen, keines in eine ausschlieĂliche. Man sagt also gar nichts fĂŒr das Ă€sthe-
tische Princip der Musik Entscheidendes, wenn man sie durch ihre Wirkung
auf das GefĂŒhl charakterisirtâ (VMS, S. 31).416 Dieser Effekt ist fĂŒr ihn nur
keinesfalls Grundlage der wissenschaftlichen Musikphilosophie, da subjektive
EindrĂŒcke nie universal bindende Erkenntnisse hinsichtlich des untersuchten
Gegenstands ermöglichen. Diese These bleibt hier aber auf die Àsthetische Pers-
pektive beschrÀnkt, die die affektive Erregung dennoch als integralen Bestand-
teil der individuellen Kunsterfahrung charakterisiert. Der Ăsthetiker Hanslick
wird also nicht âoutside the philosopherâs closetâ mit einem schlicht missliebi-
gen Musikerlebnis konfrontiert, das mit seiner objektiven Ausrichtung unver-
einbar ist und ihn zum affektiven Musikkritiker âmalgrĂ© luiâ stempelt. Hanslick
entwickelt vielmehr eine nuancierte Auffassung, die die objektive Ăsthetik und
die emotional aufgeladene Musikkritik zugleich bestehen lÀsst, deren metho-
dische Forderungen derartig different sind, dass keine unmittelbare Konfron-
tation möglich scheint und ein âpraktischer Widerspruchâ nirgends entdeckt
werden kann.
2.3. Legendenbildung: die absolute Ăsthetik Hanslicks
Beide Topoi â die ahistorische MusikĂ€sthetik von Hanslick sowie dessen nach-
maliger Emotivismus â basieren indessen auf dem gleichen Problem: einer
irrtĂŒmlicherweise vorgenommenen Verabsolutierung seiner Ă€sthetischen Ab-
handlung, die das Musikbild Hanslicks nicht gÀnzlich wiedergibt, sondern nur
414 Kivy, New Essays (wie Anm.Â
399), S.Â
43. Siehe dazu auch sein Sound Sentiment: An Essay on
the Musical Emotions, Philadelphia 1989, S. 154 und Music Alone: Philosophical Reflections on
the Purely Musical Experience, Ithaca/London 1990, S. 185.
415 FĂŒr eine analoge Deutung, die sich auf Kivys These stĂŒtzt, siehe etwa auch: Herzog,
âMusical Meaningâ (wie Anm.Â
353), S.Â
301â303; Cha, âAesthetic Theoriesâ (wie Anm.Â
58),
S. 392â394.
416 Zu Kivys Lesart, die fĂŒr die angloamerikanische Rezeptionsgeschichte von Hanslicks
VMS-Traktat ungemein bedeutend wurde, siehe vor allem Kap. 5.2 und Kap. 5.3. Siehe
dazu auch: Wilfing, âGefĂŒhl und Musikâ (wie Anm. 141), S. 43â45; ders., âTonally
Moving Formsâ (wie Anm. 372).
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423