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1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie
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Kontexten um das Jahr 1850 bestärkt worden, die scheinbar bestätigen, dass
„Hanslicks Doktrin [der ‚tönend bewegten Formen‘] eine Auseinandersetzung
mit dem Hegelianismus, der herrschenden Philosophie der 1830er und 1840er
Jahre“ nötig hätte.54 Obgleich Dahlhaus hier sehr klar macht, dass sich Hanslicks
Kenntnis wohl eher aus dem verwässerten Hegelianismus als „Umgangssprache
der Intellektuellen“ speiste, wurde Hanslicks Kenntnis von Hegels Logik (1812–
1816) in der früheren Analyse „Eduard Hanslick und der musikalische Formbe-
griff“ gar als „offenkundige“ Gegebenheit eingeschätzt und damit wieder von
inhaltlichen Kongruenzen auf philosophische Beeinflussung ohne jede kontex-
tuelle Reflexion geschlossen.55 Was für die skizzierte Repression der Kant’schen
Philosophie in der vormärzlichen habsburgischen Bildungspolitik bis hin zu
Graf Thun gilt, muss auch auf den Deutschen Idealismus bezogen werden,56
womit Hanslicks Kenntnis der betreffenden Abhandlungen auch hier keinesfalls
unterstellt, sondern vielmehr detailliert belegt werden müsste. Dass „Hanslicks
Lebensstationen […] nicht Berlin, Heidelberg und Göttingen, sondern Prag,
Klagenfurt und Wien“ lauten, wurde – wie Landerer zutreffend festgestellt hat –
in der bisherigen Forschung weitgehend übersehen.57
Doch auch ohne eine nach wie vor ausstehende Untersuchung von Hanslicks
Rezeption des Deutschen Idealismus ist die weiterhin vermutete Anlehnung
Hanslicks an die Hegel’sche Philosophie im englischen Sprachraum ebenfalls
verbreitet.58 Dieses Narrativ dürfte direkt aus den Schriften Dahlhaus’ resul-
tieren, die mit den 1980er Jahren sukzessive übertragen wurden sowie diese
gemeinhin akzeptierte Hypothese mehrfach vertreten,59 was Landerer veranlasst
54 Dahlhaus, Absolute Musik (wie Anm.Â
52), S.Â
111. Vgl.: Musik – Zur Sprache gebracht. Musik-
ästhetische Texte aus drei Jahrhunderten, hrsg. von Carl Dahlhaus und Michael Zimmer-
mann, München/Kassel 1984, S. 304f.
55 Carl Dahlhaus, „Eduard Hanslick und der musikalische Formbegriff“, in Mf 20/2 (1967),
S.Â
145–153, hier S.Â
146. Vgl.: Max Paddison, „Die vermittelte Unmittelbarkeit der Musik:
Zum Vermittlungsbegriff in der Adornoschen Musikästhetik“, in Musikalischer Sinn. Bei-
träge zu einer Philosophie der Musik, hrsg. von Alexander Becker und Matthias Vogel,
Frankfurt 2007, S. 175–236, hier S. 208.
56 Alexander Wilfing und Christoph Landerer, „Eduard Hanslick und der Hegelianismus“,
in ZÄK 62/2 (2017), S. 307–328, hier S. 312–313. Vgl.: Peter Stachel, „Leibniz, Bolzano
und die Folgen. Zum Denkstil der österreichischen Philosophie, Geistes- und Sozialwis-
senschaften“, in Acham, Geschichte (wie Anm. 47), Bd. 1, S. 253–296.
57 Landerer, Hanslick und Bolzano (wie Anm. 27), S. 15.
58 Siehe einige rezente Beispiele: Yoshida, „Musical Culture“ (wie Anm. 39), S. 181–184;
Jee-Weon Cha, „‚Ton‘ versus ‚Dichtung‘: Two Aesthetic Theories of the Symphonic
Poem and Their Sources“, in JMR 26/4 (2007), S. 377–403, hier S. 389–391 und 394f.; Lee
A. Rothfarb, „Nineteenth-Century Fortunes of Musical Formalism“, in JMT 55/2 (2011),
S.Â
167–220, hier S.Â
187–189 und 194f. Siehe hierzu primär: Barbara Titus, „The Quest for
Spiritualized Form: (Re)positioning Eduard Hanslick“, in AMl 80/1 (2008), S. 67–97.
59 Für die deutsch zitierten Passagen siehe etwa auch: Carl Dahlhaus, The Idea of Absolute
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423