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1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie
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Payzant bemerkte ebenfalls, dass Hanslicks Definition der ‚tönend beweg-
ten Formen‘ als „mind giving external shape to itself from within“ mit Hegels
Denken mittelbar verknüpft, Hanslick jedoch niemals als wirklicher Hegelia-
ner betrachtet werden könnte.65 Für ihn ist das allenfalls periphere Verständnis
von Hegels Lehre aber wohl eher aus Hanslicks Kenntnis von damals rezenten
Schriften ableitbar, die von August Kahlert, Eduard Krüger oder auch Friedrich
Theodor Vischer in Hegel’schem Fahrwasser verfasst worden waren.66 Sowohl
Kahlerts Arbeiten, die Hegels Ästhetik zustimmend aufnahmen, als auch die
Theorie Krügers, die sich gegen diese wandte und sie zugleich ausgiebig refe-
rierte, werden im letzten Kapitel von Hanslicks VMS-Traktat kritisch erörtert
(VMS, S. 160–163), während Hegels System vorwiegend ablehnend angeführt
wird (VMS, S.Â
27f., 77, 93, 160, 162 und 170).67 Payzant verfehlt hierbei jedoch die
frühen Kritiken aus der ‚präformalen Denkperiode‘ von Hanslick, die der teleo-
logischen Fortschrittsidee, dem grundlegenden Zusammenhang von Musik und
‚Welt‘ sowie einem auffallend affektiven Musikbegriff nachhingen und die Strauß
mit guten Gründen schreiben ließ, dass eine „frühe[ ] Bindung an die Ästhetik
Hegels“ bestand.68 Hanslick gehörte damals noch jener später schneidend kri-
tisierten ‚romantischen‘ Reformgruppe an, die ihm aufgrund der persönlichen
Beziehungen zum ‚Prager Davidsbund‘ bestens vertraut war.69 Der zweifelsfrei
ture, Berlin/New York 2010, Kap. 3; Mark Evan Bonds, „Aesthetic Amputations: Abso-
lute Music and the Deleted Endings of Hanslick’s ‚Vom Musikalisch-Schönen‘“, in
19thCM 36/1 (2012), S. 3–23, hier S. 8; Richard Klein, Musikphilosophie zur Einführung,
Hamburg 2014, S. 193.
65 Hanslick/Payzant, Musically Beautiful (wie Anm. 31), S. 30. Englische Hanslick-Passagen
beruhen auf Geoffrey Payzants Ãœbersetzung (OMB). Wenn Gustav Cohens Version (The
Beautiful in Music: A Contribution to the Revisal of Musical Aesthetics, London/New York
1891) zitiert wird, wird dies jeweils separat vermerkt.
66 Geoffrey Payzant, „Eduard Hanslick and the ‚geistreich‘ Dr. Alfred Julius Becher“, in
MR 44 (1983), S. 104–115, hier S. 112; ders., Sixteen Lectures (wie Anm. 12), S. 61 und 127.
67 Zu diesen textlichen Referenzen auf Hegel’sche Ästhetiker vergleiche ebenfalls: Chris-
toph Landerer und Nick Zangwill, „Hanslick’s Deleted Ending“, in BJA 57/1 (2017),
S. 85–95, hier S. 89–92; Wilfing/Landerer, „Hegelianismus“ (wie Anm. 56), S. 315–328.
68 Strauß, „Davidsbund“ (wie Anm. 24), S. 293. Zu den frühen Kritiken Hanslicks sowie
ihren hegelianischen Teilmomenten siehe etwa auch: Grimm, Prager Zeit (wie Anm. 16),
S. 61–104; Petr VÃt, Zwischen Ästhetik und Musikkritik: Prager Musikdenken von 1760 bis 1860,
übers. von Brigitte Silná, Jan Gruna und Hana Pfalzová, Regensburg 2010, S. 102–110;
Markéta Štědronská, August Wilhelm Ambros im musikästhetischen Diskurs um 1850, München
2015, Kap. 2.
69 Bonnie Lomnäs, Erling Lomnäs und Dietmar Strauß, Auf der Suche nach der poetischen Zeit.
Der Prager Davidsbund: Ambros, Bach, Bayer, Hampel, Hanslick, Helfert, Heller, Hock, Ulm. Zu
einem vergessenen Abschnitt der Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts, Saarbrücken 1999. Für
Hanslicks Wandlung vom ‚Romantiker‘ zum ‚Formalisten‘ siehe etwa auch: Wilfing,
„Richard Wagner“ (wie Anm. 21), S. 165–170 und die dort erörterte Forschung.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423