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1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie
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nierte spätestens mit dem Jahr 1861, als der Herbartianer Zimmermann seine
Wiener Professur antrat, die intellektuelle Ausrichtung Österreichs, die dann
erst Franz Brentanos Berufung (1874) in andere Bahnen lenkte.92 Wenn auch
sein wirkliches Interesse für ästhetische Thematiken fraglich scheint, könnte
Hanslick – neben seinem Vater Josef Adolf93 – auch schon durch seinen Prager
Lehrer und bekennenden Herbartianer Franz Exner, den Hanslick als positives
Leitbild anführte,94 mit Herbarts Schriften vertraut gemacht worden sein.95
Dass Hanslick wegen dieser historischen Ausgangslage und mehreren evi-
denten Analogien zu Herbarts Theorien wie der objektivistischen Autonomie-
ästhetik, der kritischen Einstellung zur emotivistischen Musikauffassung oder
auch der ausgeprägten Nobilitierung von technischen Musikaspekten gar als
ein lupenreiner Herbartianer gelten müsse, ist im späten 19. Jahrhundert und
frühen 20. Jahrhundert mehrfach vertreten worden. Bereits Eduard von Hart-
mann ist dem Hanslick’schen ‚Formalismus‘, der „jeden tieferen idealen Gehalt
der Musik“ einfach negiere, mit folgenden Einwänden begegnet: „Diess hat
Herbart gethan und Hanslick hat […] diesen Standpunct näher auszuführen
[…] versucht.“96 Gemäß Volkelt war Hanslicks Argument nur die maßvollere
Fortführung von Herbarts Ästhetik,97 und Guido Bagier begriff Hanslicks
VMS-Traktat als „erste ausführliche Untersuchung auf Herbart’scher Grundla-
ge“.98 Ehrlich99 und Wallaschek100 verstanden schließlich Zimmermann, Hans-
lick und Herbart als isomorphe ästhetische Ausrichtung, wobei Hanslicks
92 Werner Sauer, „Die verhinderte Kanttradition. Über eine Eigenheit der österreichischen
Philosophie“, in Benedikt/Knoll/Rupitz, Bildung und Einbildung (wie Anm. 45), S. 303–
317, hier S. 313.
93 Zu Josef Adolf Hanslik siehe vor allem: Ludvová, „Biographie Hanslicks“ (wie Anm.Â
49);
Grimm, Prager Zeit (wie Anm.Â
16), S.Â
11–25; Landerer, Hanslick und Bolzano (wie Anm.Â
27),
S.Â
23–46. Vgl.: Jitka Ludvová, „Einige Prager Realien zum Thema Hanslick“ und Hubert
Reitterer, „Josef Adolf Hanslik als Bibliotheksbeamter und Satiriker“, in Antonicek/
Gruber/Landerer, Hanslick zum Gedenken (wie Anm. 10), S. 163–179 und S. 139–162.
94 Hanslick, Aus meinem Leben (wie Anm. 17), S. 19.
95 Zum Verhältnis von Hanslick und Exner vgl.: Blaukopf, „Eduard Hanslick“ (wie
Anm. 90), S. 714; Payzant, Sixteen Lectures (wie Anm. 12), S. 130f.; Grimm, Prager Zeit
(wie Anm.Â
16), S.Â
141f.; Landerer, Hanslick und Bolzano (wie Anm.Â
27), S.Â
37–43; Peter Sta-
chel, Ethnischer Pluralismus und wissenschaftliche Theoriebildung im zentraleuropäischen Raum.
Fallbeispiele wissenschaftlicher und philosophischer Reflexion der ethnisch-kulturellen Vielfalt der
Donaumonarchie, Dissertation Universität Graz 1999, S. 343.
96 Eduard von Hartmann, Die deutsche Aesthetik seit Kant, Leipzig 1886, S. 492.
97 Johannes Volkelt, System der Ästhetik, München 1905–1914, Bd. 1, S. 430.
98 Guido Bagier, Herbart und die Musik mit besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zur
Ästhetik und Psychologie, Langensalza 1911, S. 67.
99 Heinrich Ehrlich, Die Musik-Aesthetik in ihrer Entwicklung von Kant bis auf die Gegenwart.
Ein Grundriss, Leipzig 1882, S. 66.
100 Richard Wallaschek, Ästhetik der Tonkunst, Stuttgart 1886, S. 149f.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423