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1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie
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ĂŒberzeugend vorgetragen wurden.121 Payzant konnte zeigen, dass der Prager
Kritiker Bernhard Gutt die Wandlung Hanslicks vom âRomantikerâ zum âFor-
malistenâ durch dessen klassizistische Geschmacksurteile essentiell befördert
hatte, was bis zur geradezu wörtlichen Ăbernahme von einzelnen Textstellen
bemerkbar ist.122 Payzants ResĂŒmee lautete sodann: âMy personal belief is that
the single most important factor in Hanslickâs change of view was the influence
of the journalist Bernhard Gutt.â123 Obwohl Barbara Boisits zu Recht betont,
dass Gutts Rolle in Payzants Forschung pointierter dargestellt ist, als das wirk-
lich vertreten werden könnte, wurde durch diese ausdrĂŒckliche Konzentration
auf die Prager Wurzeln von Hanslick eine systematische geschichtliche Kon-
textualisierung von Hanslicks VMS-Traktat eröffnet.124
Diese Wende dĂŒrfte jedoch ebenso auf Kurt Blaukopfs Forschung basieren,
der Rudolf Hallers Thesen zur âösterreichischenâ Nationalphilosophie gewinn-
bringend weiterverarbeitet sowie dessen historische Erkenntnisse auf die musi-
kalische Fachwelt angewendet hat.125 Hallers Ansicht, welche bereits Neurath
analog vertrat und die als âHaller-Neurath-Theseâ weithin gelĂ€ufig ist,126 besagt
konkret, dass eine âösterreichischeâ Denktradition von Bernard Bolzano bis
hin zur Wittgensteinâschen Sprachphilosophie und dem Wiener Kreis eruiert
werden könnte, bei der empiristische, positivistische und antimetaphysische
121 Payzant, Hanslick and Berlioz (wie Anm. 8), S. 107â115.
122 Siehe dazu etwa: âDas Urelement der Musik ist Wohllaut, ihr Wesen Rhythmus. Rhyth-
mus im GroĂen, als die Uebereinstimmung eines symmetrischen Baues, und Rhythmus
im Kleinen, als die wechselnd-gesetzmĂ€Ăige Bewegung einzelner Glieder im ZeitmaĂâ
(VMS, S. 74). Gutt (Payzant, Hanslick and Berlioz [wie Anm. 8], S. 112f.) schrieb Àhnlich:
âDas Wesen der musikalischen Form ist der Rhythmus, der Rhythmus im GroĂen, nĂ€m-
lich die Eurhythmie eines schön gegliederten Baues, der Rhythmus im Kleinen, die
gesetzmĂ€Ăige Schwebung der einzelnen Glieder im ZeitmaĂe.â
123 Ebda., S. 110. Zu Gutts Einfluss auf Hanslick vgl.: Khittl, âHanslicks VerhĂ€ltnisâ (wie
Anm. 118), S. 97; Dietmar StrauĂ, âââŠO Praga! Quando te aspiciam!âŠâ Die Prager Ber-
lioz-Rezeption und das Musikalisch-Schöneâ, in ders., Hanslick Schriften (wie Anm. 16),
Bd. 1, S. 300â314, hier S. 306â313; Landerer, âĂsthetikprogrammâ (wie Anm. 19), S. 8f.;
Grimm, Prager Zeit (wie Anm. 16), S. 105â117; Landerer, Hanslick und Bolzano (wie
Anm. 27), S. 16f.
124 Barbara Boisits, ââTönend bewegte Formenâ oder âseelischer Ausdruckâ. Zu einer musik-
Ă€sthetischen Streitfrage im 19. Jahrhundertâ, in De musica disserenda 2/2 (2006), S. 43â52,
hier S.Â
46. Payzants Annahme ist von Dietmar StrauĂ ebenfalls vertreten worden: StrauĂ,
Hanslick Schriften (wie Anm. 16), Bd. 1, S. 309â311 und Bd. 4, S. 415. Vgl.: Grimm, Prager
Zeit (wie Anm. 16), S. 116f.
125 Rudolf Haller, Studien zur Ăsterreichischen Philosophie. Variationen ĂŒber ein Thema, Amster-
dam 1979; ders., Fragen zu Wittgenstein und AufsĂ€tze zur Ăsterreichischen Philosophie, Amster-
dam 1986.
126 Siehe hierzu primĂ€r Neuraths AufsĂ€tze âEinheitswissenschaft und Psychologieâ oder
auch âEntwicklung des Wiener Kreisesâ, in Gesammelte philosophische und methodologische
Schriften, hrsg. von Rudolf Haller und Heiner Rutte, Wien 1981, Bd. 2.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423