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1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung
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Theo rieelemente diagnostizierbar seien.127 Dieses Prinzip ist von Haller groß-
teils adaptiert und weitergehend differenziert worden: Als ‚positive‘ Kriterien
der ‚österreichischen‘ Traditionsbildung betont dieser eine „Forderung nach
Wissenschaftlichkeit der Philosophie“ und das dementsprechende „naturwis-
senschaftliche Forschungsideal“ sowie deren empiristische Methodologie und
sprachkritische Grundrichtung, die ein analytisches Philosophieren begünstigt
hätten. Die parallelen negativen Merkmale, also jene schon zuvor genannten
trennenden Eigenschaften der Philosophie in Deutschland und Österreich,
lassen sich noch kürzer fassen: Österreich habe Kants Lehre und den Deut-
schen Idealismus dezidiert abgelehnt sowie damit eine autochthone Schulrich-
tung eingeschlagen.128 In Neuraths Fassung: „Österreich erspart[e] sich das
Zwischenspiel mit Kant.“129 Durch diesen neuen Fokus auf die maßgeblichen
Denkerfiguren, die an den habsburgischen Bildungsanstalten gewirkt haben
und die dem relativ groben Schema der ‚österreichischen‘ Philosophietradition
korrespondieren – Bolzano, Herbart, Zimmermann –, nahm auch die Hans-
lick-Forschung eine günstige Richtung.
Denn Hallers Thesen wurden – wie zuvor bereits gesagt – durch Blaukopfs
Forschung fachlich adaptiert und auf die sukzessive Installation einer insti-
tutionell konstituierten Musikwissenschaft in Österreich übertragen, die „in
einem empiristisch-rationalen Klima entstand[ ]“, das vor allem „durch vier
Denker geprägt war“: Bolzano, Brentano, Herbart und Ernst Mach.130 Diese
Deutung Hanslicks als historischer Mitbegründer der vorrangig empirisch aus-
gerichteten Musikforschung, die auf Rudolf Eitelbergers ‚Wiener Schule der
Kunstgeschichte‘ bezogen werden könnte,131 ist in späteren Analysen Blaukopfs
127 Wolfgang G. Stock, „Die Erfassung der österreichischen Nationalphilosophie im Rah-
men der empirischen Metaphilosophie. Ein Beitrag zur Methode der Historiographie der
Philosophie“, in Von Bolzano zu Wittgenstein. Zur Tradition der österreichischen Philosophie,
hrsg. von J. C. NyÃri, Wien 1986, S. 54–70, hier S. 55f.
128 Haller, Fragen und Aufsätze (wie Anm. 125), S. 38. Zur Kritik der politischen Triebfedern
und des reduktionistischen Rezeptionskonstrukts von Hallers Thesen siehe etwa auch:
Sauer, Österreichische Philosophie (wie Anm.Â
42), S.Â
9–22; Feichtinger, Reflexives Projekt (wie
Anm. 43), S. 151–161; Wilfing, „Philosophie“ (wie Anm. 43).
129 Neurath, Gesammelte Schriften (wie Anm. 126), Bd. 2, S. 676.
130 Blaukopf, „Eduard Hanslick“ (wie Anm.Â
90), S.Â
714. Vergleiche wesentlich ausführlicher:
ders., „Empiristische Musikforschung“ (wie Anm. 90).
131 Khittl, „Hanslicks Verhältnis“ (wie Anm. 118), S. 88f.; Blaukopf, Empiristische Musik-
forschung (wie Anm. 90), S. 105f.; Landerer, Hanslick und Bolzano (wie Anm. 27), S. 83f.;
Kevin Karnes, Music, Criticism, and the Challenge of History: Shaping Modern Musical Thought
in Late Nineteenth-Century Vienna, Oxford/New York 2008, S. 31–33; Landerer, „Öster-
reichische Geistesgeschichte“ (wie Anm. 18), S. 59. Siehe hierzu ebenso: Matthew
Rampley, The Vienna School of Art History: Empire and the Politics of Scholarship, 1847–1918,
University Park 2013.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423