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1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat
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gehobenen Bürgertums inkorporiert hatte,179 musste Goldmarks Verwendung
eines scheinbar nationalen Musikkolorits somit doppelt suspekt scheinen. Wie
David Kasunic im direkten Hinblick auf Gays Frage und im engeren Kontext
von Hanslicks Rezeption von Gustav Mahler festhielt: „Hanslick’s Jewish
descent does matter, and it did stamp his work, in ways that have shaped the
subsequent reception of Mahler to the present day.“180
Ähnliche Aspekte müssen ebenso bei dem zweiten Problem von Hanslicks
Biographie, seiner tschechischen Jugendperiode, beachtet werden. Auch diese
wurde durch Hanslicks Memoiren sowie seine dort vorgenommene Selbstkon-
struktion weitgehend unterdrückt, indem Hanslick seinen ausschließlichen
Privatunterricht in deutscher Sprache bekräftigt, die von ihm auch öffentlich
gepflegt worden sei: „Ich habe niemals Tschechisch lesen und schreiben gelernt,
niemals das Vaterunser oder das Einmaleins anders als deutsch aufgesagt, nicht
einmal einen böhmischen Theaterzettel (was mich vielleicht am meisten inte-
ressiert hätte) entziffern können.“181 In Blumes Hanslick-Aufsatz wird neuer-
lich unkritisch gefolgert: „Hanslick selbst hat sich in seiner Autobiogr. […]
wiederholt mit dieser Frage auseinandergesetzt: vor 1848 gab es in Prag keine
andere als deutsche Kultur.“ Mit dem knappen Resümee, dass Hanslick „nie
Momente definiert. Vgl.: Freede, „Critic as Subject“ (wie Anm.Â
17), S.Â
197–201. Die Stili-
sierung Hanslicks hat sie bei Aus meinem Leben folgendermaßen zusammengefasst (ebda.,
S. 203): „His apparently straightforward biographical narrative is actually a self-aware
and self-conscious framing of the nineteenth-century bourgeois ideal, and ‚Aus meinem
Leben‘ has an important role to play in our understanding of the way in which society,
nation and culture coalesced around classical and romantic music.“
179 Eduard Hanslick, „Ueber Religionsverschiedenheit“, in Strauß, Hanslick Schriften (wie
Anm. 16), Bd. 1, S. 189–201. Vgl.: Barbara Boisits, „Akkulturationsdiskurse am Beispiel
von Salomon Sulzers Wirken am Wiener Stadttempel“, in Musikwelten – Lebenswelten.
Jüdische Identitätssuche in der deutschen Musikkultur, hrsg. von Beatrix Borchard und Heidy
Zimmermann, Köln/Weimar/Wien 2009, S. 91–107, hier S. 95–102; Peter Stachel, „Eine
‚vaterländische‘ Oper für die Habsburgermonarchie oder eine ‚jüdische Nationaloper‘?
Carl Goldmarks ‚Königin von Saba‘ in Wien“, in Die Oper im Wandel der Gesellschaft. Kul-
turtransfers und Netzwerke des Musiktheaters im modernen Europa, hrsg. von Sven Müller u.a.,
Wien/Köln/Weimar 2010, S. 197–218, hier S. 215f.; Brodbeck, Defining ‚Deutschtum‘ (wie
Anm. 160), S. 43–53.
180 Kasunic, „Reception of Gustav Mahler“ (wie Anm. 80), S. 312. Vgl.: Michael B. Ward,
„‚Absolute‘ Philosophy? Gender, Nationalism, and Jewishness in Eduard Hanslick’s For-
malism“, in Nineteenth-Century Music Criticism, hrsg. von Teresa Cascudo GarcÃa-Villa-
raco, Turnhout 2017, S. 337–354, hier S. 348–351. Zu politischen Teilaspekten von Hans-
licks Schriften, die soziale Themen im Gewand der Kritik verdeckt erörtern, siehe etwa
auch: Nicole Grimes, „‚Wordless Judaism, Like the Songs of Mendelssohn?‘ Hanslick,
Mendelssohn and Cultural Politics in Late Nineteenth-Century Vienna“, in Mendelssohn
Perspectives, hrsg. von Nicole Grimes und Angela Mace, Farnham/Burlington 2012,
S. 49–62.
181 Hanslick, Aus meinem Leben (wie Anm. 17), S. 14.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423