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1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung
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vermittels politischer Hypothesen legitimiert. Bei der âzusehends konservativ
und steril werdenden MusikĂŒbung des BĂŒrgertums nach der Revolution von
1848â sei die pĂ€dagogische Musikfunktion zunehmend verkĂŒmmert und durch
einen belanglosen Ăsthetizismus substituiert worden: âDie ihre Rolle in der
âguten Gesellschaftâ spielten, indem sie die KonzertsĂ€le fĂŒllten, was kĂŒmmer-
ten sie die groĂen Ideen, die leidenschaftlichen GefĂŒhle, die in der Musik aus-
gedrĂŒckt sind? MuĂte ihnen eine Theorie, derzufolge Musik in erster Linie ein
Ă€sthetisches Spiel ist, nicht einleuchten?â215 Lippold teilte diese Ansicht:
Der scheinbare Gegensatz zwischen Autonomie und Heteronomie der Musik
wird in stĂ€rkerem MaĂe als bisher zur Ă€sthetischen Streitfrage, nicht unwesent-
lich angeregt durch Eduard Hanslicks Buch âVom Musikalisch-Schönenâ und die
darin entwickelte Ansicht, die Musik sei nicht fĂ€hig, etwas Bestimmtes, AuĂer-
musikalisches darzustellen. Vom Geist der SpÀtromantik getragene, mystifizie-
rend-philosophische Sujets in der Sinfonischen Dichtung einerseits und aske-
tisch reine âabsolute Musikâ andererseits offenbaren bereits AnsĂ€tze jenes
spĂ€tbĂŒrgerlichen Subjektivismus und Agnostizismus, der in sehr unterschiedli-
cher Àsthetischer Drapierung, mit dem Beginn der allgemeinen Krise des Kapi-
talismus nach der Oktober-Revolution und dem ersten Weltkrieg zur immer
stÀrkeren Trennung der Musik vom Volk, zum Gegensatz zwischen flacher Un-
terhaltungsindustrie und esoterischem Ăsthetizismus und schlieĂlich auch zur
radikalen Absage an eine realistische Programmgebundenheit in der bĂŒrgerli-
chen Musik fĂŒhrt.216
Hanslicks Ablehnung von âexternenâ Parametern fĂŒr die Ă€sthetische Konzepti-
on, die von ihm der methodologisch abgesonderten âKunstgeschichteâ weiter-
gereicht wurden (VMS, S.Â
92f.), jedoch selbst durch politische RĂŒcksicht moti-
viert war, hat folglich bewirkt, dass Hanslicks VMS-Traktat von der ostdeut-
schen Musikforschung vorwiegend abschÀtzig aufgefasst wurde. Wie James
Deaville folgert, hÀngt damit gleichfalls zusammen, dass Hanslicks Musikkri-
tik, welche immer wieder praktische Thematiken â Reiseberichte, Nekrologe,
PortrĂ€ts, aber auch allgemeine kulturelle Ereignisse â eingehend behandelt,217
von marxistischen Wissenschaftlern wohlwollender aufgenommen wurde als
die theoretische Untersuchung.218 Bereits Knepler bemerkte beifĂ€llig: âAm
215 Knepler, Musikgeschichte (wie Anm. 207), Bd. 2, S. 685.
216 Eberhard Lippold, Zur Frage der Àsthetischen Form-Inhalt-Relationen in der Musik, Leipzig
1971, S. 22.
217 StrauĂ, âZur Neuausgabe von Hanslicks Schriftenâ, in ders., Hanslick Schriften (wie
Anm. 16), Bd. 1, S. 263â270, hier S. 267.
218 Deaville, âThrough Historyâ (wie Anm.Â
29), S.Â
28. Dieser irrt sich aber, wenn Fahlbuschs
Herausgabe von Eduard Hanslick: Musikkritiken, Leipzig 1972, von ihm als frĂŒheste deut-
sche Sammlung genannt wird. Aus Eduard Hanslicks Wagner-Kritiken, hrsg. von Heinrich
Kralik, Wien/ZĂŒrich/New York 1947 und Also sprach Beckmesser. Aus den Schriften von
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423