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1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung
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Popper, der mit der Drei-Welten-Lehre an Bolzanos Konzepte anknĂŒpfte und
der Hanslicks VMS-Traktat gewiss kannte â was von seinen Memoiren Un-
ended Quest fraglos belegt wird233 â, hatte einen Ă€sthetischen Objektivismus
ausgearbeitet, der psychologischen Argumentationen skeptisch begegnet, das
manifeste Kunstwerk als einzig zentral ansieht sowie dessen emotionale Wir-
kungen mit Hanslickâscher StoĂrichtung als evidente Tatsache bestimmt, hier-
bei jedoch als Àsthetisch irrelevant klassifiziert.234 Diese durchaus plausiblen
Analogien, die mit Poppers Hanslick-Kenntnis gesichert scheinen, lieĂen etwa
auch Engel Ă€hnlich schlieĂen, dass âPoppers Theorie [âŠ] von Hanslicks Theo-
rien deutlich beeinfluĂtâ sei.235 Ob Wittgenstein Hanslicks VMS-Traktat aller-
dings wirklich studiert hatte oder wesentliche Standpunkte vom Lehrer Josef
Labor mĂŒndlich vermittelt bekam, scheint unklar.236 Katrin Eggers hĂ€lt eine
direkte LektĂŒre fĂŒr Ă€uĂerst fraglich und die allenfalls mittelbare Beeinflussung
Wittgensteins durch Hanslicks Hypothese fĂŒr wesentlich glaubhafter.237 Hier
war das musikalisch unmoderne Elternhaus Wittgensteins ebenfalls relevant,
das von Hanslick hÀufiger besucht wurde238 und das den konservativen Mu-
sikgeschmack Wittgensteins nachhaltig bestimmte, der etwa dazu fĂŒhrte, dass
Brahmsâ Ćuvre fĂŒr ihn das finale Kapitel der europĂ€ischen Musikgeschichte
reprÀsentierte.239 Wittgensteins SpÀtphilosophie beinhaltet jedenfalls zahlrei-
che Parallelen zu Hanslicks VMS-Traktat, etwa wenn Wittgenstein voraus-
setzt, dass âreineâ Musik âsich selbstâ vermittle, also keinesfalls referentiell sei
und somit âweder als Mittel zur Erregung von GefĂŒhlen noch als Medium zur
233 Popper, Unended Quest (wie Anm. 169), S. 249.
234 Vergleiche Landerers Arbeiten: âBolzano, Hanslick, Objektivismus IIâ (wie Anm. 11),
S. 28â32; âWiener Denkstilâ (wie Anm. 15), S. 103â108; Hanslick und Bolzano (wie
Anm. 27), S. 136â140.
235 Gerhard Engel, Musik und Wissenschaft. Zur Wissenschaftslehre, Ăsthetik und Didaktik der
Musik aus der Sicht des neueren Kritizismus, Frankfurt/Berlin/MĂŒnchen 1980, S. 62.
236 Clemens Fanselau, âDie Musik bei Wittgenstein. Logik, AutonomieĂ€sthetik und musika-
lische Pragmatikâ, in Sagen und Zeigen. Wittgensteins âTractatusâ, Sprache und Kunst, hrsg.
von Chris Bezzel, Berlin 2005, S. 103â126, hier S. 108.
237 Katrin Eggers, Ludwig Wittgenstein als Musikphilosoph, Freiburg 2011, S. 35 und 183. Vgl.:
Eran Guter, âWittgenstein, Modern Music, and the Myth of Progressâ, in On the Human
Condition: Philosophical Essays in Honour of the Centennial Anniversary of Georg Henrik von
Wright, hrsg. von Ilkka Niiniluoto und Thomas Wallgren, Helsinki 2017, S.Â
181â199, hier
S. 187f.
238 Landerer, âĂsterreichische Geistesgeschichteâ (wie Anm. 18), S. 56; BĂ©la Szabados, Witt-
genstein as Philosophical Tone-Poet: Philosophy and Music in Dialogue, Amsterdam/New York
2014, S. 41.
239 Christoph Landerer, ââDie raffinierteste aller KĂŒnsteâ. Wittgenstein und die Musikâ, in
ĂMZ 56/11 (2001), S. 10â19, hier S. 14; Boisits, âGrenzen der Kunstâ (wie Anm. 146),
S. 238; Hanne Ahonen, Wittgenstein and the Conditions of Musical Communication, Disserta-
tion Columbia University 2007, S. 146.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423