Seite - 70 - in Re-Reading Hanslick's Aesheticts - Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
Bild der Seite - 70 -
Text der Seite - 70 -
1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung
70
âthe Croatian musico-aesthetical thought of the two last decades of the 19th
centuryâ diskursiv dominiert habe.263
Neben diesen allgemeinen Betrachtungen hat die aktuellere Forschung in
erster Linie zwei philosophische Schriftsteller mit Hanslicks VMS-Traktat
verknĂŒpft: Theodor W. Adorno und Friedrich Nietzsche.264 Wenn Hanslicks
Geschichte des Concertwesens (1869) auch durch einige Autoren als soziologische
Untersuchung eingeschÀtzt wurde,265 hat die Forschung trotz allem primÀr des-
sen Àsthetische Abhandlung untersucht. Das ist insofern sinnvoll, als Adornos
Kenntnis von Hanslicks VMS-Traktat historisch gesichert ist, da er im Winter-
semester 1932/1933 ĂŒber selbigen gelesen hat.266 Paddison hat die inhaltliche
Beziehung dieser beiden Autoren in Publikationen zu Theodor W. Adorno wie-
derholt angemerkt, ohne dass dazu eine spezifische Publikation verfasst worden
wÀre.267 Paddison ist der Ansicht, dass Adornos Theorien zur historischen Ent-
wicklung des musikalischen âMaterialstandesâ268 von der Hypothese Hanslicks
inspiriert worden wĂ€ren, der die schöpferische Komposition als âArbeiten des
Geistes in geistfĂ€higem Materialâ charakterisiert (VMS, S. 79) und die histori-
sche Kontingenz desselben akzentuiert: âJedes der Intervalle, die jetzt unserer
Harmonie dienstbar sind, muĂte einzeln gewonnen werden, und oft reichte ein
Jahrhundert nicht hin fĂŒr solch kleine Errungenschaft. [âŠ] Man hĂŒte sich vor
der Verwechselung, als ob dieses (gegenwÀrtige) Tonsystem selbst nothwendig in
der Natur lĂ€geâ (VMS, S. 147f.). Dass alle musikalischen Grundelemente histo-
risch gewachsen, keinesfalls natĂŒrlich gegeben sind und die bestĂ€ndige produk-
tive Interaktion von Komponist und âMaterialâ in kodifizierten Konventionen
voraussetzen, zeitige enorm weitreichende Konsequenzen, die etwa auch âin
the musical esthetics of T. W. Adornoâ verfolgt wurden.269 Neben dieser heute
263 Sanja Majer-Bobetko, âMusico-Historical Themes in the Aesthetical System of the Cro-
atian Philosopher Franjo MarkoviÄâ, in IRASM 34/1 (2003), S. 33â44, hier S. 36.
264 Hanslicks Wirkung auf Heinrich Schenker, die hier ebenfalls behandelt werden könnte,
wird spÀter separat erörtert (Kap. 4.2), da sie dort thematisch relevanter ist.
265 Blaukopf, Empiristische Musikforschung (wie Anm. 90), S. 175â180; Yoshida, âMusical Cul-
tureâ (wie Anm. 39), S. 191â198; Karnes, Challenge of History (wie Anm. 131), S. 48â75.
266 Adorno-Handbuch. Leben â Werk â Wirkung, hrsg. von Richard Klein, Johann Kreuzer und
Stefan MĂŒller-Doohm, Stuttgart/Weimar 2011, S. 481.
267 FĂŒr mehrere flĂŒchtige Angaben siehe hier etwa: Edgar, âAdorno and Analysisâ (wie
Anm. 155), S. 441â444; DamnjanoviÄ, âBegrĂŒnder der MusikĂ€sthetikâ (wie Anm. 229),
S. 723f.; StrauĂ, âMusik der Zukunftâ (wie Anm. 243), S. 422 und 425; Andy Hamilton,
Aesthetics and Music, London/New York 2007, S.Â
82f.; Lettgen, Melancholie (wie Anm.Â
255),
S. 293f.
268 Gunnar Hindrichs, âDer Fortschritt des Materialsâ, in Klein/Kreuzer/MĂŒller-Doohm,
Adorno-Handbuch (wie Anm. 266), S. 47â58.
269 Paddison, âMusic as Idealâ (wie Anm.Â
63), S.Â
336. Siehe dazu auch dessen andere Arbeiten:
Adornoâs Aesthetics of Music, Cambridge 1993, S. 66; âAdornosche MusikĂ€sthetikâ (wie
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423