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2. These und Exkurs: Hanslicks Methodik â Ăsthetik versus Kritik
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das fĂŒr ihn bei âreinerâ Musik besonders geschwind verbraucht werde: âModu-
lationen, Cadenzen, Intervallenfortschreitungen, Harmoniefolgen nĂŒtzen sich
in 50, ja 30 Jahren dergestalt ab, daĂ der geistvolle Componist sich deren nicht
mehr bedienen kann und fortwÀhrend zur Erfindung neuer, rein musikalischer
ZĂŒge gedrĂ€ngt wirdâ (VMS, S.Â
86). Hanslicks Argument endet mit einer Text-
stelle, die klar zeigt, dass man die ihm wiederholt unterstellte Hypothese von
zeitloser Schönheit in der Àsthetischen Abhandlung ebenso wenig finden kann:
âMan kann von einer Menge Compositionen, die hoch ĂŒber den [i.e. dem]
Alltagsstand ihrer Zeit stehen, ohne Unrichtigkeit sagen, daà sie einmal schön
warenâ (VMS, S. 86f.). Dass Karnes bei der eindeutigen Formulierung, die fĂŒr
die obige These einer doppelten Wendung Hanslicks ungĂŒnstig ist, davon spre-
chen konnte, dass dies ein âslip of the penâ sei, der Hanslicks âepiphanyâ der
1860er Jahre unbewusst antizipiert, dem âwirklichenâ Standpunkt von Hans-
licks VMS-Traktat allerdings opponiere, belegt erneut, welche fixierten Vor-
urteile darĂŒber bestehen, was Hanslick gesagt haben soll.347
In Kap. 1.5 und bei der genannten Einwirkung von Hanslick auf Adorno
konnte jedoch bereits Hanslicks Negation eines natĂŒrlich existenten Tonsys-
tems erörtert werden. Die durchaus moderne Reflexion auf die geschichtliche
Wandelbarkeit von Kunst wurde damit auf das basalste Element der westlichen
Musikkultur ausgedehnt, das bis ins 20.Â
Jahrhundert als psychisch notwendige
Gegebenheit gelten sollte (VMS, S. 147f.). Ab der sechsten VMS-Auflage fin-
det sich dann auch eine lÀngere Passage, die aus den einleitenden Bemerkun-
gen von Die Moderne Oper. Kritiken und Studien stammt348 und die Unsterblich-
keit von Kunstwerken ausdrĂŒcklich zurĂŒckweist (VMS, S.Â
95f.). Damit wurde
aber â wie SchĂ€fke fĂ€lschlich vermutete349 â kein neuartiges Argument einge-
fĂŒhrt, sondern vielmehr eine gegebene Reflexion zusĂ€tzlich elaboriert. Noch
Bonds, der den substantiellsten Forschungsbeitrag zu Hanslicks Hypothese im
englischen Sprachraum vorlegte, versteht selbige als âahistorical approachâ,
der âmusic outside of historyâ ansiedle und âmusical beauty as a timeless qua-
lity of all musicâ fasse,350 was den heutigen Konsens auf den Punkt bringt.351
347 Karnes, Challenge of History (wie Anm. 131), S. 52.
348 Hanslick, Moderne Oper 1 (wie Anm. 293), S. VIâVIII.
349 SchÀfke, Eduard Hanslick (wie Anm. 21), S. 59.
350 Bonds, Absolute Music (wie Anm. 31), S. 177.
351 FĂŒr mehrere Ă€hnliche Lesarten aus der anglophonen Musikliteratur siehe etwa auch:
Daniel K.Â
L. Chua, Absolute Music and the Construction of Meaning, Cambridge 1999, S.Â
228;
Philip Alperson, âThe Philosophy of Music: Formalism and Beyondâ, in The Blackwell
Guide to Aesthetics, hrsg. von Peter Kivy, Malden/Oxford/Carlton 2004, S. 254â275, hier
S. 261; Richard Taruskin, âThe Poietic Fallacyâ, in MT 145 (2004), S. 7â34, hier S. 23;
Burford, âHanslickâs Materialismâ (wie Anm. 64), S. 172f.; Philip Ross Bullock, ââLes-
sons in Sensibilityâ: Rosa Newmarch, Music Appreciation, and the Aesthetic Cultivation
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423