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2. These und Exkurs: Hanslicks Methodik â Ăsthetik versus Kritik
92 [âŠ], so wĂŒrde Theorie, Compositionslehre und Aesthetik der Musik eine total
andere. Der musikalische Theoretiker kann daher gegenwÀrtig den Ausblick
auf diese Zukunft noch kaum anders frei lassen, als durch die einfache Anerken-
nung ihrer Möglichkeit (VMS, S. 149f.).355
Wieso StrauĂ die von ihm erwĂ€hnten, vorstehend angefĂŒhrten Textstellen in
seinen spĂ€teren AufsĂ€tzen nicht mehr wesentlich erschienen und von ihm fĂŒr
Hanslicks VMS-Traktat nun eine historisch invariante Schönheit angesetzt
wird, ist mir völlig unklar. Dies dĂŒrfte vielleicht tatsĂ€chlich aus der neuerlichen
Entdeckung des Herbartâschen Formalismus sowie dessen ahistorischer Konsti-
tution resultieren356 â der Kontrapunkt wird hier etwa als unwandel bares Mu-
sikfundament charakterisiert357 â was StrauĂ eine derartige Deutung naheleg-
te.358 Diese Lesart scheint jedoch schon durch Zimmermann vorgezeichnet, der
Hanslicks VMS-Traktat herbartianisch vereinnahmte (Kap. 3.5)359 und der ei-
genen formalen Ăsthetik annĂ€herte, die es tatsĂ€chlich unternimmt, das âals be-
stimmt aufzustellen, was schön sei, fĂŒr alle Zeit und an jedem Ortâ.360 Dass Hans-
lick hierzu anders dachte, belegt etwa eine fast wortgetreue Ăbernahme aus
Zimmermanns VMS-Rezension,361 die die kontrÀren Positionen verdeutlicht.
Hanslicks Argument wird dort von Zimmermann folgendermaĂen zusam-
mengefasst: âDas Schöne ist schön und bleibt schön, auch wenn es keine Ge-
355 Hanslicks Reflexion auf das graduelle Wachstum des modernen Tonsystems und die his-
torische Wandlung von partikularen Schönheiten wird auch durch andere Autoren peri-
pher erlĂ€utert. Siehe dazu eine Auswahl aus diversen Epochen: Dahlhaus, âMusikalische
Formbegriffâ (wie Anm.Â
55), S.Â
147f.; Breitkreutz, Eduard Hanslick (wie Anm.Â
39), S.Â
56â59
und 175â179; Blaukopf, Empiristische Musikforschung (wie Anm. 90), S. 102â104; Klaus
StĂ€dtke, âFormâ, in Ăsthetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch, hrsg. von Karlheinz
Barck u.a., Stuttgart/Weimar 2010, Bd. 2, S. 462â494, hier S. 479; Fubini, Geschichte
MusikĂ€sthetik (wie Anm. 253), S. 273â275; Redmann, Methodologie Musikanalyse (wie
Anm. 244), S. 10f.; René Thun, Der Klang der Vernunft. Eine Philosophie Neuer Musik,
Bielefeld 2017, S. 103f.
356 Noch Peter Kivys Theorie belegt rezent, dass hier Ahistorismus und Formalismus bestÀn-
dig verknĂŒpft werden, indem dieser das eigene Modell (Kap. 5.3) vor genau jenem Vor-
wurf bewusst absichert: Introduction to a Philosophy of Music, Oxford 2002, S. 101â109.
357 Blaukopf, Empiristische Musikforschung (wie Anm. 90), S. 99f. Siehe dazu auch mehrere
AufsÀtze von Christoph Landerer (1993, 1999, 2001, 2004).
358 Landerer, âAesthetica longaâ (wie Anm. 354), S. 12f.; ders., Hanslick und Bolzano (wie
Anm. 27), S. 117f.
359 Zimmermann, Aesthetik (wie Anm.Â
111), Bd.Â
1, S.Â
784. Vgl.: JĂ€ger, âWeg in die Moderneâ
(wie Anm. 91), S. 197; StrauĂ, âNeuausgabeâ (wie Anm. 217), S. 264f.; Landerer, âĂsthe-
tikprogrammâ (wie Anm. 19), S. 13.
360 Robert Zimmermann, âDie spekulative Aesthetik und die Kritikâ, in Oesterreichische
BlĂ€tter fĂŒr Literatur und Kunst 6 (06.02.1854), S. 37â40, hier S. 39f.
361 Robert Zimmermann, âZur Aesthetik der Tonkunst. âVom Musikalisch-Schönenââ, in
Oesterreichische BlĂ€tter fĂŒr Literatur und Kunst 47 (20.11.1854), S. 313â315.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423