Seite - 152 - in Re-Reading Hanslick's Aesheticts - Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
Bild der Seite - 152 -
Text der Seite - 152 -
3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption
152
is preeminently the world of Form.“662 In Budds Augen ist Gurneys Ästhetik
der „most impressive representative of […] formalist theory“,663 Sharpe hält
fest: „[i]f Hanslick is a formalist, Gurney is one too“,664 und Smith nennt Gur-
ney den „strictest formalist“, der gar die Rigorosität Hanslicks übertreffe.665
Epperson merkte jedoch richtig an, dass trotz Gurneys Geltung als „English
Hanslick“666 die wesentlichen Widersprüche dieser beiden Autoren eingehend
behandelt werden müssen, zumal deren simplistische Klassifikation als forma-
listische Musikästhetiker die Differenzen ihrer Konzeption unzuträglich un-
terschlage.667 William Gatens668 und Jerrold Levinson669 sind Eppersons Forde-
rung ebenso gefolgt wie Bowman670 und Bujić,671 die darüber hinaus leugnen,
dass Hanslick als rigoroser Formalist betrachtet werden könnte (Kap. 4.3).
Die zentrale Differenz dieser beiden Autoren liegt in ihrem disparaten Ver-
hältnis zum Konnex von Gefühl und Musik, die von Gurney weniger negativ
erörtert worden ist als von Hanslick. Gurneys Konzept verficht generell eine
keineswegs einheitliche Ausprägung der ‚arousal theory‘,672 die – mit der moder-
nen Wortwahl Peter Kivys – auch noch heute besagt: „music is sad (or cheer-
ful, or whatever) in virtue of its arousing sadness in the listen er“ (Kap. 5.2).673
Gurneys Ästhetik enthält jedoch eine essentielle Modifikation, welche dieses
Modell wesentlich komplexer strukturiert und ein Problem der ‚arousal the-
ory‘ vorweg umgeht: Denn wenn der affektive Ausdruck von musikalischen
Kunstwerken aus der Gefühlslage des Rezipienten glattweg gefolgert wird,
steht man vor der ungewollten Konsequenz, dass man von der vielleicht gefühl-
ten Langeweile auf die demzufolge dargestellte Lange weile logisch schließen
muss.674 Gurney hält aber fest, dass eine gefühlte Emotion mit den expressi-
ven Qualitäten der betreffenden Komposition nicht zwangsläufig koinzidieren
muss: „the special feeling corresponding to melancholy music is melancholy,
but the special feeling corresponding to capricious or humorous music is not
662 Ebda., S.Â
14. Zur formalen Evaluation des ästhetischen Gegenstands, die bei anglophonen
Kunsttheorien wiederholt gefunden werden kann, siehe etwa auch: Benbow Ritchie,
„The Formal Structure of the Aesthetic Object“, in JAC 3/11–12 (1945), S. 5–14.
663 Malcolm Budd, Music and the Emotions: The Philosophical Theories, London u.a. 1985, S. 52.
664 Sharpe, Philosophy Introduction (wie Anm. 444), S. 26.
665 Smith, „Expand Formalism“ (wie Anm. 640), S. 36.
666 Kivy, Introduction to Philosophy (wie Anm. 356), S. 27.
667 Epperson, Musical Symbol (wie Anm. 433), S. 240.
668 Gatens, „Musical Criticism“ (wie Anm. 624), S. 20f.
669 Levinson, Music in Moment (wie Anm. 633), S. 1.
670 Bowman, „Musical ‚Formalism‘“ (wie Anm. 410), S. 42.
671 Bujić, „Year 1885“ (wie Anm. 635), S. 146.
672 Zu Gurneys Theorie(n) vgl.: Budd, Music and Emotions (wie Anm. 663), S. 65–74.
673 Peter Kivy, The Corded Shell: Reflections on Musical Expression, Princeton 1980, S. 22.
674 Peter Rinderle, Die Expressivität von Musik, Paderborn 2010, S. 55.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423