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3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound
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gefasst, dass sie aus Hanslicks VMS-Traktat stammen könnten, wobei zuerst
das zuvor schon benannte Argument zentral scheint, dass „in an immense
amount of beautiful music the element of definable expression“ fehlen wür-
de.700 Von Hanslick wird eine emotivistische Musikästhetik ebenfalls abge-
lehnt, da jedermann anerkenne, dass eine große Anzahl von ‚klassischen‘
Musikstücken keine expliziten Emotionen darstellen:701 „Gut, – der Beweis
wäre dadurch schon hergestellt, daß die Musik nicht Gefühle erwecken oder
zum Gegenstand haben muß. […] Ein Schiff muß untergehen, sobald es auch
nur Ein Leck hat“ (VMS, S. 51). Ein anderer wichtiger Einwand Gurneys, der
als ‚argument from disagreement‘ bei analytischen Philosophen weiterhin ver-
wendet wird (Kap. 5.3),702 besagt weiters: „it is often found that music which
wears a definable expression to one person, does not wear it or wears a different
one to another, though the music may be equally enjoyed by both.“703 In Hans-
licks VMS-Traktat wird eine universal bindende emotionale Beschreibung der
musikalischen Komposition gleichfalls hinterfragt, da immer diverse Antwor-
ten plausibel scheinen: „Der Eine wird ‚Liebe‘ sagen. Möglich. Der Andere
meint ‚Sehnsucht‘. Vielleicht. Der Dritte fühlt ‚Andacht‘. Niemand kann das
widerlegen. […] Ueber die Schönheit und Schönheiten des Musikstücks werden
wahrscheinlich Alle übereinstimmend denken, von dem Inhalt Jeder verschie-
den“ (VMS, S. 51f.). Und letztlich offeriert Gurneys Ästhetik den wichtigen
Gedanken, dass auch bei der vorstellbaren musikalischen Repräsentation von
speziellen Emotionen deren ästhetische Wertigkeit hinterfragt werden müsste,
sobald man sie als das zentrale Kriterium des musikalischen Kunstwerkes cha-
rakterisiert:
take twenty bits of music, each presenting the same definable character, such as
melancholy or triumph. Now if the stirring of this emotion is the whole busi-
ness of any one of these tunes, how is anybody the richer for knowing the other
nineteen? for in respect of this stirring character they are all on a par, and one of
them would do completely all that could be done. In reality, of course, each of
them is an individual, with a beauty peculiar to itself, and each is, to one who
loves it, a new source of otherwise unknown delight.704
700 Gurney, Power of Sound (wie Anm. 634), S. 339.
701 Zur beachtlichen historischen Wirksamkeit dieses zentralen Gedankens siehe dabei von
Albert Gehring, „The Expression of Emotions in Music“, in TPR 12/4 (1903), S. 412–429,
hier S. 418–421, bis Budd, Values (wie Anm. 450), S. 155–157.
702 Kivy, Corded Shell (wie Anm. 673), S. 46–48; Davies, Musical Meaning (wie Anm. 450),
S. 246–249; Budd, Music and Emotions (wie Anm. 663), S. 70f.
703 Gurney, Power of Sound (wie Anm. 634), S. 339.
704 Ebda., S. 340.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423