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4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte, Vertreter
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beiden Autoren komplexer erscheinen lÀsst.907 Zwar kann man die Methodik
der Ableitung von Hanslicks VMS-Traktat aus Kants Schrift gleichfalls entde-
cken, wie Kretzschmar demonstriert, welcher meinte, dass Hanslick oftmals
âeinfach Kant in ein allgemein verstĂ€ndliches, witziges, pointiertes, durch Dia-
lektik und Beispiele fesselndes Deutschâ ĂŒbersetzt hat.908 Dies wird von Rohs
auch noch im Jahr 2012 Ă€hnlich beurteilt, der Kant als âBegrĂŒnder des Formalis-
musâ sah, der durch Hanslick âseine wirksamste Ausarbeitungâ erfahren hat.909
Kants Lehre wird aber meist als Ausgangspunkt von divergenten Konzeptio-
nen eingeschÀtzt, wie Moos klar zeigt, der Kant eine ambivalente Kunsttheorie
zugeschrieben hat, die idealistische, formalistische, naturalistische und sensua-
listische Theorieelemente in sich fassen wĂŒrde.910 Die hĂ€ufigste Deutung geht
aber von einer doppelgleisigen Wirkungshistorie aus, die Kant als âBegrĂŒnder
der FormalĂ€sthetikâ und als âVertreter der InhaltsĂ€sthetikâ charakterisiert.911
Hanslicks VMS-Traktat wurde somit als einseitige Entfaltung der Kantâschen
Urteilskritik eingeordnet, die zwar erste Keime des Àsthetischen Formalismus
bereitstellte, diesen jedoch durch wichtige Aspekte ergÀnzt habe. Dass Kants
Rolle als âVorboteâ Hanslicks aber auch im deutschen Sprachraum dominierte,
zeigt etwa noch Meyer, die Kant als emotivistischen MusikÀsthetiker katego-
risierte912 und damit gegen ein beliebtes Narrativ verstoĂen hat, das âKant als
Vertreter der formalen Methode und als VorlĂ€ufer eines Hanslickâ ansah.913
Eine mehr oder weniger fĂŒhlbare Beeinflussung wurde somit weiterhin
behauptet, wie Nef plastisch illustriert, der die âKant-NĂ€geli-Hanslickscheâ
907 Zur âdeutschenâ Forschung siehe vor allem: Giselher Schubert, âZur MusikĂ€sthetik in
Kants âKritik der Urteilskraftââ, in AfMw 32/1 (1975), S. 12â25, hier S. 12â15.
908 Kretzschmar, Gesammelte AufsĂ€tze (wie Anm.Â
429), Bd.Â
2, S.Â
255. Vgl.: ebda., Bd.Â
1, S.Â
569;
Thöne, Ăsthetik (wie Anm. 101), S. 56f.
909 Peter Rohs, âSingend denken. MusikĂ€sthetische Ăberlegungen im Anschluss an einen
Begriff von C.Â
Ph.Â
E. Bachâ, in Vom Sinn des Hörens. BeitrĂ€ge zur Philosophie der Musik, hrsg.
von Johann Kreuzer und Georg Mohr, WĂŒrzburg 2012, S. 55â74, hier S. 48.
910 Moos, Kant bis Hartmann (wie Anm.Â
104), S.Â
18f. Vgl.: Arnold Schering, âZur MusikĂ€sthe-
tik Kantsâ, in ZIMG 11/6 (1909â1910), S. 169â175.
911 Franz Marschner, âKants Bedeutung fĂŒr die MusikĂ€sthetik der Gegenwartâ, in KS 6
(1901), S. 19â40, hier S. 19 und S. 206â243, hier S. 206. Vgl.: Werner Hilbert, Die Musik-
Ă€sthetik der FrĂŒhromantik, Remscheid 1911, S. 10â19; Margarethe Hamburger, Das Form-
Problem in der neueren deutschen Ăsthetik und Kunsttheorie, Heidelberg 1915, S. 3â7; Maeck-
lenburg, âMusikanschauungâ (wie Anm. 856), S. 208.
912 FĂŒr eine Replik auf Meyers Ansicht, die Kants Rekurs auf die Affektenlehre als historisch
zufĂ€llig auffasst, vgl.: Carl Dahlhaus, âZu Kants MusikĂ€sthetikâ, in AfMw 10/4 (1953),
S. 338â347, hier S. 346f.
913 Kathi Meyer, âKants Stellung zur MusikĂ€sthetikâ, in ZfMw 3 (1920â1921), S. 470â482,
hier S. 470 und 481. Vgl.: Jens Kulenkampff, âMusik bei Kant und Hegelâ, in Hegel-Stu-
dien 22 (1987), S. 143â163, hier S. 147; Seidel, âĂsthetik des Kunstwerksâ (wie Anm. 592),
S. 71.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423