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4.1. Die Wiege des ästhetischen Formalismus? – Kants Kritik der Urteilskraft
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mit dem ‚freien Spiel‘ von zwei geistigen Vermögen. Diese können jedoch mit
der zusätzlichen Präsentation einer rationalen ethischen Idee, die über eine äs-
thetische Idee vermittelt ist, gar mit der reinen Vernunft in Verbindung stehen,
was sämtliche kognitive Fakultäten zugleich befördert und den betreffenden
Gegenstand ‚schön‘ macht:
Through this connection of an aesthetic idea to a rational idea, imagination and
reason are seen in harmony, and the whole of our mental powers is improved
thereby. Therefore, while a pure and free judgement of taste merely assesses the
harmony of the imagination and the understanding, judgement upon adherent
beauty furthers the culture of the mental powers. Therefore, we are not to con-
sider adherent beauty as being in any way inferior to free beauty. Indeed, the
advantage of adherent beauty lies in having been fixed through a concept of
purpose. By bringing a concept of reason into harmony with taste, our faculty
of the representative power gains.945
Doch auch ohne eine umfassende Interpretation von Kants Theorie, wie sie
in Weatherstons Darstellungen überzeugend durchgeführt wurde, kann eine
komplexe Beziehung von Kunst und Moral in Kants Lehre schwerlich über-
sehen werden. Im englischen Sprachraum geschieht dies aber dann, wenn eine
diesbezüglich entscheidende Textpassage von Kants Schrift beständig ignoriert
wird und man sie auf die formalen Aspekte reduziert:946 „Wenn die schönen
Künste nicht nahe oder fern mit moralischen Ideen in Verbindung gebracht
werden, die allein ein selbstständiges Wohlgefallen bei sich führen, so ist das
letztere [Unterhaltung oder Zerstreuung] ihr endliches Schicksal.“947 Speziell
betrifft das für ihn ‚reine‘ Musik, von der dieser später sagen wird, dass sie
„nur darum schöne (nicht blos angenehme) Kunst [sei], weil sie der Poesie zum
Vehikel dient“.948 Für Kant ist Kunst der „sichtbare Ausdruck sittlicher Ide-
en“ und Geschmack „ein Beurteilungsvermögen der Versinnlichung sittlicher
Ideen“,949 was die untrennbare Verknüpfung von moralischen Vorstellungen
945 Martin Weatherston, „Kant’s Assessment of Music in the ‚Critique of Judgment‘“, in BJA
36/1 (1996), S. 56–65, hier S. 58. Vgl.: Raymond Kenneth Elliott, „The Unity of Kant’s
Critique of Aesthetic Judgment“, in BJA 8/3 (1968), S.Â
244–259; John H. Zammito, The Gene-
sis of Kant’s ‚Critique of Judgment‘, Chicago/London 1992, S. 290f. Zur rationalen ‚Fixie-
rung‘ siehe etwa auch: Neubauer, Emancipation (wie Anm. 576), S. 186f.; Kulenkampff,
„Kant und Hegel“ (wie Anm. 913), S. 150f.
946 Bedeutende Ausnahmen sind hier aber Huray, „Role of Music“ (wie Anm. 942), S. 94;
Neubauer, Emancipation (wie Anm. 576), S. 183; oder auch Guyers Arbeiten.
947 Kant, Kritik der Urteilskraft (wie Anm. 40), S. 219 (§52, A326).
948 Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, hrsg. von Wilhelm Weischedel,
Frankfurt 1977, S. 575 (§68, BA 197).
949 Kant, Kritik der Urteilskraft (wie Anm. 40), S. 92 (§17, A235), 259 (§60, A356).
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423