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4.2. Hanslick als Feindbild: Bell, Schenker und die ‚New Musicology‘
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the ‚music itself‘“ aufgab.1061 Die ‚music itself‘ – auch kurz: ‚TMI‘ – war für
Kramer aber eine ideologische Konstruktion, bei der man eindeutig übersehe,
dass alle Objekte immer schon durch ein „dense weave of ‚highly conditioned
historical takes‘“ geprägt wurden.1062 Folglich wird auch Hanslicks VMS-Trak-
tat mit der Schenker’schen Musikanalyse unmittelbar verbunden: „A Hans-
lickian analysis is concerned with things like musical structure […]. Perhaps
the finest exemplar of musical formalism is Heinrich Schenker.“1063 Dass aber
auch hier kein völliger Konsens erreicht werden konnte, belegte speziell Wil-
liam Drabkin, der das Konzept Schenkers aus Hauseggers Abhandlung Musik
als Ausdruck (1885) ableitet, welche jedoch Hanslicks Programm nicht gerade
ähnelt.1064 Wenn diese postulierte Entwicklung der formalen Ästhetik zwar
auch keine exklusiv ‚englische‘ Hypothese darstellt, zumal bereits mehrere
‚deutsche‘ Forscher eine unmittelbare Abhängigkeit von Hanslick und Schen-
ker vermuteten,1065 verdeutlicht die Relevanz Schenkers im englischen Sprach-
raum, wieso diese historische Verbindung im Rahmen der amerikanischen
Musikwissenschaft eingehender besprochen wurde.
Neben vereinzelten allgemeinen Kohärenzen im Ansatz von Hanslick und
Schenker – Wort und Ton, Inhalt und Form, Musik und Gefühl etc.1066 – hat
man Hanslicks VMS-Traktat oft als methodische Begründung der ‚formalist
musicology‘ eingeschätzt. Dass hier aber trotz allem bedachtsam argumentiert
werden sollte, zeigen bereits Cooks Texte, der die bezüglichen Schnittstellen
wiederholt begrenzte und davon sprach, dass Schenkers Methodik als praktische
1061 Siehe hierzu rezent: Michael Ward, „‚Absolute‘ Philosophy?“ (wie Anm. 180), S. 337 und
352.
1062 Lawrence Kramer, „Criticizing Criticism, Analyzing Analysis“, in 19thCM 16/1 (1992),
S.Â
76–79, hier S.Â
77. Vgl.: ders., „Future“ (wie Anm.Â
1042), S.Â
9; Interpreting Music, Berke-
ley/Los Angeles/London 2011, S. 14; „Philosophizing Musically: Reconsidering Music
and Ideas“, in JRMA 139/2 (2014), S.Â
387–404, hier S.Â
394. Zur rezenten Diskussion um die
‚music itself‘ vgl.: Hooper, Discourse of Musicology (wie Anm. 1056), Kap. 3.
1063 Miller, „Piano Performance“ (wie Anm.Â
1060), S.Â
265. Zu Hanslicks Einflüssen auf Schen-
kers Methodik und die technische Musikanalyse siehe etwa auch: Edgar, „Adorno and
Analysis“ (wie Anm. 155), S. 441; Berger, Theory of Art (wie Anm. 248), S. 144; Shreffler
„Berlin Walls“ (wie Anm. 206), S. 513; Titus, Hegelian Currents (wie Anm. 61), S. 101f.;
Karnes, Challenge of History (wie Anm.Â
131), S.Â
21; Katz, Sense and Meaning (wie Anm.Â
155),
S. 247; Cook, Beyond the Score (wie Anm. 256), S. 33; Pritchard, „Broken Images“ (wie
Anm. 256), S. 146; Bonds, Absolute Music (wie Anm. 31), S. 252 und 285; Parkhurst,
„Making a Virtue“ (wie Anm. 777), S. 82f.
1064 William Drabkin, „Heinrich Schenker“, in Christensen, Western Music Theory (wie
Anm. 870), S. 812–843, hier S. 834.
1065 Schäfke, Geschichte (wie Anm. 39), S. 395 und 400; Suppan, „Ausdrucks- contra Form-
ästhetik“ (wie Anm. 255), S. 115; Thaler, Organische Form (wie Anm. 651), S. 126.
1066 Zu zentralen Parallelen siehe vor allem: Cook, Schenker Project (wie Anm. 33), S. 48–62.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423