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4.2. Hanslick als Feindbild: Bell, Schenker und die ‚New Musicology‘
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(VMS, S. 165–168). Hier fällt dann auch jener Begriff, der bei Kerman als das
zentrale Merkmal der bisherigen Musikanalyse hervortritt und die musika-
lische Komposition als autarke ‚Monade‘ ansetzt:1087 „Was aber nicht (offen-
kundig oder versteckt) im Thema ruht, kann später nicht organisch entwickelt
werden, und weniger vielleicht in der Kunst der Entwicklung, als in der sym-
phonischen Kraft und Fruchtbarkeit der Themen liegt es, daß unsere Zeit keine
Beethoven’schen Orchesterwerke mehr aufweist“ (VMS, S. 168f.).1088
Wertigkeit und Bedeutung des Hauptthemas gründen folglich in inhären-
ter Potentialität und der hierdurch gegebenen Möglichkeit zur kunstreichen
Durchführung, was Hanslicks VMS-Traktat für Newman zur wichtigsten
Triebfeder für die enorme Karriere des organischen Musikmodells werden
lässt.1089 Hanslick war, wie Dunsby korrekt darlegt, „the ultimate ‚themati-
cist‘“,1090 der die thematische Grundgestalt als „essence of music’s organic
unity“ fasste1091 und die motivisch-thematische Arbeit als vordringliches Qua-
litätsmerkmal charakterisierte.1092 Dass aber auch das organische Musikmo-
dell die Beziehung von Hanslick und Schenker keinesfalls garantiert, belegt
etwa eine Debatte zu Schenkers „Der Geist der musikalischen Technik“,1093
der ambivalent interpretiert wurde und wo er unerwartet behauptete, dass
‚reine‘ Musik „im Grunde Nichts von Causalität und Logik weiss“, was dem
späteren Schenker offenkundig zuwiderläuft.1094 William Pastille hat das orga-
nische Musikdenken des jungen Schenker demgemäß hinterfragt und grund-
sätzlich angenommen, dass sich dieses bei ihm allmählich entwickelt hätte,
1087 Zur historischen Verankerung des musikalischen Organizismus vgl.: Solie, „Musical
Analysis“ (wie Anm.Â
651); Thaler, Organische Form (wie Anm.Â
651); Meyer, Style and Music
(wie Anm.Â
651), S.Â
189–205; Schmidt, Form in Musik (wie Anm.Â
651); Bonds, Wordless Rhe-
toric (wie Anm. 651).
1088 Zu Hanslicks Verständnis der organischen Beschaffenheit von ‚reiner‘ Musik siehe etwa
auch: Notley, Music and Culture (wie Anm. 163), S. 23; Steege, „Music Theory“ (wie
Anm. 252), S. 297; Scruton, „Composition“ (wie Anm. 652), S. 522; Noeske, „Body and
Soul“ (wie Anm. 652).
1089 William Newman, „Musical Form as a Generative Process“, in JAC 12/3 (1954), S. 301–
309, hier S. 301f.
1090 Dunsby, „Motivic Analysis“ (wie Anm. 870), S. 909.
1091 Kerman, Challenges to Musicology (wie Anm. 1047), S. 77. Vgl.: Savage, „Social ‚Werk-
treue‘“ (wie Anm. 904), S. 517f.
1092 Grimm, „Grillparzer und Hanslick“ (wie Anm. 144), S. 21f.; Grey, „Hanslick, Eduard“
(wie Anm. 166), S. 828f.; Payzant, Sixteen Lectures (wie Anm. 12), S. 15, 88–91, 96–98 und
117–119.
1093 Heinrich Schenker, „Der Geist der musikalischen Technik“, in Musikalisches Wochenblatt.
Organ für Musiker und Musikfreunde 26 (02., 09., 16., 23., 30. Mai und 13., 20. Juni 1895),
S. 245–246, 257–259, 273–274, 279–280, 297–298, 309–310 und 325–326.
1094 Ebda., S.Â
246. Zur intensiven Diskussion um diesen Aufsatz vergleiche prinzipiell: Cook,
Schenker Project (wie Anm. 33), S. 36–38.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423