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4.3. Hanslick, der Formalist: adäquate Kategorie oder leerer Begriff?
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Eigenheit seiner modernen Rezeption im englischen Sprachraum bedeutend,
die auf späteren Auflagen von VMS beruht, sodass dessen nicht gerade autono-
mistische Schlussbemerkung, dass auch ‚reine‘ Musik mit „allen andern großen
und schönen Ideen“ vereint werden könnte (VMS, S.Â
171), gemeinhin unbeach-
tet bleibt (Kap. 3.5). Doch auch in jüngeren Editionen, in denen solche idealis-
tische Teilmomente großteils gestrichen wurden, scheint immer zentral, dass
VMS eine spezifische Konstruktion ‚des‘ ästhetischen Autonomismus repräsen-
tiert, die eben keine materiale Bestimmung – es ist autonom –, sondern lediglich
eine szientifische Objektivierung – es ist als autonom zu betrachten – nötig macht.
Zuletzt wird eine zusätzliche Bestimmung ‚des‘ ästhetischen Formalis-
mus aufgeworfen, welche diesen als systematische Gegenposition zum Emo-
tivismus klassifizierte: „formalism became synonymous with the exclusion
of emotions from the musical experience. If you were a friend of formalism,
you were an enemy to the emotions.“1254 Diese These, die für den englischen
Sprachraum besonders bedeutend ist, hat – wie Payzant zu Recht betont – die
traditionelle Abgrenzung von ‚Form‘ und ‚Inhalt‘ mit dem parallelen Dualis-
mus von ‚Form‘ und ‚Gefühl‘ ersetzt.1255 So sind etwa ästhetische Formalisten
von McAlpin als Gegner der ‚emotionalists‘ / ‚expressionists‘ charakterisiert
worden,1256 wobei Kristine Forney und Joseph Machlis bei diesen ebenso die
zentrale Tendenz „to elevate formal above expressive values“ sahen,1257 was
etwa auch Greene,1258 Howes1259 und Martin1260 in gleicher Weise vertraten.
Noch Kivy will sich vor dem ihm angelasteten Formalismus schützen, indem
er betont, dass expressive Merkmale von ihm ausdrücklich zugestanden wer-
den, „which card-carrying musical formalist do not“.1261 Dieser Begriff ‚des‘
ästhetischen Formalismus, der vollauf negiere, dass „emotions have anything
to do with the proper appreciation of music“,1262 und der als „rejection of
1254 Kivy, Introduction to Philosophy (wie Anm. 356), S. 89. Vgl.: Lippman, Western Aesthetics
(wie Anm. 400), S. 291; Cumming, Sonic Self (wie Anm. 828), S. 186; Szabados, Wittgen-
stein as Tone-Poet (wie Anm. 238), S. 16.
1255 Payzant, Sixteen Lectures (wie Anm. 12), S. 117.
1256 McAlpin, „Language of Emotions“ (wie Anm. 556), S. 427.
1257 Kristine Forney und Joseph Machlis, The Enjoyment of Music: An Introduction to Perceptive
Listening, New York/London 61990, S. 425.
1258 Theodore Greene, „The Problem of Meaning in Music and the Other Arts“, in JAC 5/4
(1947), S. 308–313, hier S. 308.
1259 Frank Howes, „The Foundations of Musical Aesthetics“, in PRMA 83 (1956–1957),
S. 75–87, hier S. 79f.
1260 F. David Martin, „On the Supposed Incompability of Expressionism and Formalism“, in
JAC 15/1 (1956), S. 94–99, hier S. 94.
1261 Peter Kivy, Authenticities: Philosophical Reflections on Musical Performance, Ithaca/London
1995, S. 250.
1262 Small, Musicking (wie Anm. 526), S. 135.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423