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5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
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‚kontinentalen‘ Diskursformen.1295 Deren Wurzel reicht nicht nur in die engli-
sche Tradition (Russell, Moore), sondern ebenso in verwandte Positionen des
‚deutschen‘ Diskurses (Wittgenstein, Wiener Kreis, Frege), was eine rein geogra-
phische Grenzziehung höchst prekär macht, weswegen analytische Philosophie
trotz ihrer gewöhnlichen Etikettierung als „Anglo-American Philosophy“ von
Dummett zur „Anglo-Austrian Philosophy“ erklärt worden ist.1296 Obgleich
Levinson korrekt bemerkt, dass analytische Philosophen oft geographisch kon-
zentriert sind1297 – z.B. auf Regionen wie Großbritannien, Skandinavien, Neu-
seeland, Australien, Vereinigte Staaten, Kanada, Israel, Polen –, ist der soge-
nannte ‚continental divide‘ sukzessive rückläufig.1298 Da mit der ansteigenden
Vermengung von früher relativ isolierten Diskursen auch eine sprachliche Glie-
derung von analytischen (anglophonen) und kontinentalen (französischen, ita-
lienischen, deutschen) Traditionen nicht mehr wirklich sinnvoll ist, muss nach
anderen Kriterien gesucht werden, die die analytische Philosophie sowie deren
konkrete Vorläufer voneinander unterscheiden. Diese Begriffe müssen jedoch
immer typisch, niemals faktisch gelesen werden, zumal weder sämtliche ‚engli-
sche‘ Philosophen analytisch orientiert noch alle ‚deutschen‘ Philosophen idealis-
tisch ausgerichtet waren.1299 Dieses Kriterium wird dann auch meistens aufgrund
negativer Merkmale gefunden, d.h. in der strategischen Abgrenzung der analy-
tischen Methodologie von schon früher bestehenden Richtungen, die ihr eine
typische Silhouette gab. Das war insofern sinnvoll, als die analytische Philoso-
phie aus der Konvention des Empirismus gegen einen importierten Hegel’schen
Idealismus – Bernard Bosanquet, Francis Bradley, John McTaggart etc. – sprach-
kritisch argumentierte und folglich wirklich als kritische Reaktion auf ‚konti-
nentale‘ Denkmuster charakterisiert werden könnte.1300
Wie Lüdeking korrekt anmerkt – und wie die Diskussion zur postmodernen
Musikwissenschaft1301 (Kap.Â
4.2) und zur Bestimmung ‚des‘ Formalismus eben-
1295 Misselhorn, „Probleme der Ästhetik (I)“ (wie Anm. 1012), S. 508.
1296 Michael Dummett, Origins of Analytical Philosophy, Cambridge, Mass. 1993, S. 1f.
1297 Levinson, Handbook of Aesthetics (wie Anm. 384), S. V.
1298 John R. Searle, „Contemporary Philosophy in the United States“ und Bernard Williams,
„Contemporary Philosophy: A Second Look“, in Bunnin/Tsui-James, Blackwell Philoso-
phy (wie Anm.Â
351), S.Â
1–24, hier S.Â
1f. und S.Â
25–37, hier S.Â
25; Misselhorn, „Probleme der
Ästhetik (I)“ (wie Anm. 1012), S. 509.
1299 Simon Critchley, „Introduction: What Is Continental Philosophy?“, in A Companion to
Continental Philosophy, hrsg. von Simon Critchley und William R. Schroeder, Malden/
Oxford 1998, S. 1–17, hier S. 5f.
1300 P. M. S. Hacker, „The Rise of Twentieth Century Analytic Philosophy“, in Glock, Ana-
lytic Philosophy (wie Anm. 1246), S. 51–76; Misselhorn, „Probleme der Ästhetik (I)“ (wie
Anm. 1012), S. 508.
1301 Hooper, Discourse of Musicology (wie Anm. 1056), S. 34.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423