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5.2. Musik, GefĂŒhl, Gedanke â das kognitivistische Emotionskonzept
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lick niemals negiert, dass eine musikalische Komposition eine affektive Wir-
kung entfaltet (Kap. 2.2), sondern lediglich bestritten, dass dieser primÀr psy-
chische Sachverhalt die zentrale Funktion von Musik sei: âJedes wahre Kunst-
werk wird sich in irgend eine Beziehung zu unserm FĂŒhlen setzen, keines in
eine ausschlieĂliche. Man sagt also gar nichts fĂŒr das Ă€sthetische Princip der
Musik Entscheidendes, wenn man sie durch ihre Wirkung auf das GefĂŒhl cha-
rakterisirtâ (VMS, S. 31). Das objektive Verfahren Hanslicks bedingt folglich,
dass mit der subjektiven Wirksamkeit des vorliegenden Gegenstands nicht sei-
ne tatsÀchliche Verfasstheit erklÀrt werden kann, insofern dadurch die kausale
Relation der analysierten PhÀnomene gÀnzlich verkehrt werde (VMS, S. 34f.).
Wie schon zuvor gezeigt, beruht Hanslicks Ablehnung aber auch auf der ge-
schichtlich wandelbaren Bestimmung der musikalischen ExpressivitÀt, die die
universale Erkenntnis der notwendigen Verbindung von GefĂŒhl und Musik frag-
lich scheinen lÀsst (VMS, S. 35).
Hanslicks Argument zum GefĂŒhl als Inhalt von Musik findet sich dann im
zweiten Kapitel der Àsthetischen Abhandlung, wo er zugespitzt behauptet, dass
eine âDarstellung eines GefĂŒhles oder Affectes [âŠ] gar nicht in dem eigenen
Vermögen der Tonkunstâ liegen könne (VMS, S. 43). Hanslicks ErklĂ€rung
fĂŒr seinen ĂŒberaus skeptischen Standpunkt wird dann auch ohne Zweifel zur
wichtigsten Motivation fĂŒr die sukzessiv wachsende Hanslick-Rezeption im
englischen Sprachraum: Kunstwerke sind nach traditionellen Ăberzeugungen
als darstellend aufzufassen. Wenn das bei Romanen, Gedichten, GemÀlden,
Skulpturen etc., die begriffliche Bestandteile einschlieĂen, welche sprachlich
dargestellt werden können, sehr lang als ĂŒberzeugende Zuschreibung gelten
konnte, ist bei der musikalischen Komposition eine denotative Bedeutung kei-
neswegs problemlos vorzufinden. Da âreineâ Musik keine rationale Semantik
aufweist, aber eine Trennung von Emotion und Intellekt allgemein vermutet
wird, hat man der Musik die parallele FĂ€higkeit attestiert, das gesamte Spek-
trum des menschlichen GefĂŒhlslebens umfassend abzubilden, um die mimeti-
sche Konzeption von Kunst ungebrochen beizubehalten. Musikalische Kunst-
werke seien daher âMaterial, Ausdrucksmittel, wodurch der Componist die
Liebe, den Muth, die Andacht, das EntzĂŒcken darstellt. [âŠ] Was uns an einer
reizenden Melodie, einer sinnigen Harmonie ergötzt und erhebt, sei nicht diese
selbst, sondern was sie bedeutetâ (VMS, S. 43). Diese Ansicht ist fĂŒr Hanslick
aus substantiellen methodischen BeweggrĂŒnden jedoch falsch: Emotion und
Intellekt sind eben keine antithetischen Dimensionen, die ohne das jeweilige
GegenstĂŒck bestehen können, sondern vielmehr unabdingbar verschrĂ€nkte
Bestandteile des menschlichen Innenlebens. Insofern Hanslicks Hypothese der
kognitiven Verfasstheit von bestimmten Emotionen fĂŒr die beiden letzten Kapi-
tel der vorliegenden Untersuchung schlicht zentral ist und sie die analytische
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423