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5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
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des menschlichen GefĂŒhlslebens zum Thema hat.1403 GemÀà William James
rekurrieren emotionale Erregungen auf viszerale VorgÀnge: Sie sind also kein
ursÀchlich kognitives PhÀnomen, sondern beruhen vielmehr auf körperli-
chen Modulationen, deren nachtrÀgliche Wahrnehmung eine bewusste Emo-
tion generiert.1404 Der wesentliche Unterschied besteht folglich im VerhÀltnis
von Ursache und Wirkung, das geradezu invertiert wird: Angst beim Anblick
eines Löwen ist fĂŒr James ein physiologisches Ereignisschema, d.h. man sieht
den Löwen, reagiert intuitiv (Schwitzen, Erstarren, Kontraktion der Magen-
gegend) und bemerkt aufgrund der physiologischen VerÀnderungen die para-
lysierende VerĂ€ngstigung. FĂŒr den kognitiven Theoretiker ist der Vorgang
umgekehrt beschaffen: Man sieht einen Löwen, bewertet selbigen als Gefahr
und spĂŒrt daher die genannten physischen Resonanzen. Jamesâ Modell kann
besonders plausibel fĂŒr die kleine Menge an âbasalenâ GefĂŒhlen (Erstaunen,
Freude, Trauer, Angst, Zorn, Ekel) benutzt werden,1405 muss aber angesichts
komplexer Situationen limitiert scheinen. Diese These wurde dann auch fĂŒr
die Ăsthetik adaptiert:1406 Meyers Theorie der musikalischen ExpressivitĂ€t
basierte nÀmlich auf strukturellen Erwartungen sowie deren EnttÀuschung,
Verwirklichung, Suspendierung etc., wobei jedoch schwerlich einzusehen ist,
wie damit neben einfachen Regungen â EnttĂ€uschung ĂŒber eine misslungene
Antizipation, Staunen ĂŒber eine plötzliche Modulation, Freude ĂŒber eine ein-
tretende Vorhersage â auch komplizierte AffektzustĂ€nde erklĂ€rt werden kön-
nen.1407 Denn wenn man bei dem obigen Beispiel etwa einen Hund statt eines
1403 Zu Damasios Referenz auf James, die fĂŒr diese âReaktivierungâ sorgt, siehe etwa kurz:
Paul E. Griffiths, âEmotionsâ, in A Companion to Cognitive Science, hrsg. von William
Bechtel und George Graham, Malden/Oxford 1998, S. 197â203, hier S. 197; Deigh,
âConcepts of Emotionsâ (wie Anm. 1398), S. 325â327; Gregory Johnson, âTheories of
Emotionâ, in IEP, Kap. 4c.
1404 Philipp Mayring und Dieter Ulich, Psychologie der Emotionen, Stuttgart/Berlin/Köln 1992,
S. 21f.; Deigh, âConcepts of Emotionsâ (wie Anm. 1398), S. 18â21; GĂŒnther Rötter,
âModerne psychologische Emotionstheorien und ihre Bedeutung fĂŒr die Musikâ, in
Hören und FĂŒhlen, hrsg. von Martin Ebling und GĂŒnther Rötter, Frankfurt u.a. 2012,
S. 9â20.
1405 Griffiths, âEmotionsâ (wie Anm. 1403), S. 201f. Vgl.: Christine Mohn, Heike Argstatter
und Friedrich-Wilhelm Wilker, âPerception of Six Basic Emotions in Musicâ, in PM 39
(2011), S. 503â517.
1406 Charles Nussbaum, The Musical Representation: Meaning, Ontology, and Emotion, Cam-
bridge, Mass./London 2007, S.Â
204f.; Stephen Davies, âEmotions Expressed and Aroused
by Music: Philosophical Perspectivesâ, in Juslin/Sloboda, Music and Emotion (wie
Anm. 1394), S. 15â43, hier S. 34f.; ders., âCross-Culturalâ (wie Anm. 1387).
1407 Meyer, Emotion and Meaning (wie Anm. 1250), Kap. 1. GemÀà F. David Martin, âUnreal-
ized Possibility in the Aesthetic Experienceâ, in JoP 52 (1955), S. 393â400, hier S. 394,
wurde Meyers Thesis von Hanslick mittelbar inspiriert, fĂŒr den musikalische Befriedi-
gung darauf beruht, den âAbsichten des Componisten fortwĂ€hrend zu folgen und voran
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423