Seite - 283 - in Re-Reading Hanslick's Aesheticts - Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
Bild der Seite - 283 -
Text der Seite - 283 -
5.2. Musik, GefĂŒhl, Gedanke â das kognitivistische Emotionskonzept
283
GemÀà Abegg ist die Hanslickâsche GefĂŒhlstheorie von der modernen Psy-
chologie ebenfalls widerlegt, aber âauch ohne Psychologie lĂ€Ăt sich sagen, daĂ
GefĂŒhle sehr wohl ohne begriffliche Bestimmtheit existieren könnenâ, wobei
gerade Paul Moos als einzige Quelle des fraglichen Sachverhalts angefĂŒhrt
wird, ĂŒber dessen psychologische Qualifikationen man geteilter Meinung sein
kann.1449 Alexandra Kertz-Welzel nennt Hanslicks Hypothese, dass âreineâ
Musik nicht fĂ€hig sei, GefĂŒhle allgemein verstĂ€ndlich darzustellen, eine âapo-
diktischeâ Behauptung, wenn auch auf die von ihr zitierte Passage das kogni-
tive Argument Hanslicks direkt folgte.1450 Und Thomas Kupsch, der Hanslick
eine kategorische Aufspaltung von Vernunft und Emotion attestiert, leugnet
ebenso, dass Hanslicks VMS-Traktat eine ernsthafte Konzeption von GefĂŒhlen
beinhalte: âErst das 20. Jahrhundert brachte eine nennenswerte Emotionsfor-
schung hervor, deren Diskussionsgegenstand im wesentlichen das wechselsei-
tige VerhĂ€ltnis zwischen Kognition und Emotion ist.â1451 Dass auch noch Klein
Hanslicks Hypothese als vorsichtiges âHerumeiernâ bezeichnete und die â aus
moderner Perspektive unplausible â GefĂŒhlstheorie Schopenhauers favori-
sierte,1452 folgt jedoch daraus, dass eine psychologisch untermauerte Konzep-
tion von Emotionen in der âdeutschenâ Ăsthetik eindeutig versĂ€umt wurde.
Das erstaunlich zeitgemĂ€Ăe kognitivistische Emotionskonzept von Hanslicks
VMS-Traktat ist wohl erst in neueren Schriften als das wichtigste Argument
Hanslicks erkannt worden1453 und wurde daher von GrĂŒny1454 und Zwinggi1455
als direkter Vorbote der derzeitigen Behandlung des Problems von GefĂŒhl und
Musik in der analytischen Kunsttheorie eingeschÀtzt.
âEnglischeâ Ăsthetiker, fĂŒr die Fred Everett Maus festhielt, dass VMS eine
ârespectful discussionâ durchlebte, pflegten einen anderen Umgang mit Hans-
licks Argument. Aus der speziellen Betonung der kognitiven Perspektive
sowie deren Ă€sthetischen Implikationen, dass eine definitive Emotion âspeci-
fic thought-contentâ benötige, den âreineâ Musik nicht geben könne, schloss
Maus dann auch: âWhile one may seek ways to disagree with the conclusion,
Hanslickâs formulation of a clear argument is helpful in thinking about the
1449 Abegg, Eduard Hanslick (wie Anm. 41), S. 58 und 69.
1450 Kertz-Welzel, Transzendenz (wie Anm. 51), S. 265.
1451 Kupsch, Aspekte zur Musik (wie Anm. 546), S. 171.
1452 Klein, Musikphilosophie (wie Anm. 64), S. 66.
1453 Michael Huppertz, âMusik und GefĂŒhlâ, in MĂ 26 (2003), S. 5â41, hier S. 23; Schirpen-
bach, Ăsthetische Regulation (wie Anm. 421), S. 101; Stegbauer, Akustik der Seele (wie
Anm. 39), S. 274f.; Wellmer, Musik und Sprache (wie Anm. 449), S. 67; Rinderle, Expressi-
vitÀt (wie Anm. 674), S. 15; Zwinggi, Musikalische ExpressivitÀt (wie Anm. 398), S. 79;
Zehentreiter, MusikÀsthetik (wie Anm. 729), S. 86.
1454 GrĂŒny, Kunst des Ăbergangs (wie Anm. 1040), S. 166.
1455 Zwinggi, Musikalische ExpressivitÀt (wie Anm. 398), S. 79.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423