Seite - 304 - in Re-Reading Hanslick's Aesheticts - Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
Bild der Seite - 304 -
Text der Seite - 304 -
5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
304 have to be in a continual state of sadness. When, therefore, we describe the Saint
Bernard’s face as a sad face, we are not saying that it expresses sadness, but,
rather, that it is expressive of sadness. Let this stand as the paradigm of being
expressive of φ, where ‚φ‘ is the name of an emotion or mood (like ‚anger‘ or ‚mel-
ancholy‘).1561
Mit der veränderten Ausrichtung der ästhetischen Terminologie ist es folglich
möglich, leblosen Objekten eine emotionale ‚Expression‘ beizulegen, die sie
niemals wirklich besitzen können (‚possess‘), was Trivedis Problem löst. Das ist
jedoch nur die unabdingliche Grundlegung von Kivys These, die mehrere Ele-
mente umfasst: die ‚speech theory‘, die ‚possession theory‘ (die mit der ‚speech
theory‘ zur ‚contour theory‘ vereinigt wird) und die ‚convention theory‘, wel-
che jeweils separat erörtert werden. Erstere gewann Kivy aus den Maßgaben
der Camerata Fiorentina des 16. Jahrhunderts und dem Gesangsstil der affektiven
Rezitation (‚stile rappresentativo‘), den man als vermeintliche Aktualisierung
der antiken Tragödie sah und der die größtmögliche Entsprechung von Sprache
und Gesang leisten wollte. Auch ‚reine‘ Musik, so Kivy, kann eine unmittel
bare
„resemblance of human expression“ beinhalten, die mit der musikalischen Nach-
ahmung der affektbetonten Sprechstimme gewährleistet werde, welche anders
als bei der Camerata Fiorentina keinerlei affektive Reaktion nötig macht, sondern
lediglich perzipiert („recognize“) werde.1562 Die ‚speech theory‘ wird dann von
ihm folgendermaßen zusammengefasst: „(1) music is sad (or cheerful, or what-
ever) in virtue of its representing the expressive tones and other expressive char-
acteristics of the human voice; (2) the listener recognizes and identifies these
musical ‚icons‘; (3) this recognition, in turn, triggers an emotion in the listener,
not necessarily the one represented in the music.“1563 Mit der gezielten Adaption
der ‚seconda pratica‘, die nur die spezielle Variante von musikalischer Expressi-
vität hinlänglich begründen kann, ist hier aber nur der erste Punkt von Kivys
Modell geklärt. Den komplexeren Theorieanteil, der auf die erläuterte Defini-
tion von ‚express‘ verweist, entfaltet Kivy aus der zitierten Analogie mit dem
Bernhardiner, der mit hängenden Mundwinkeln, abfallenden Augenlidern und
1561 Kivy, Corded Shell (wie Anm. 673), S. 12. Trivedi, „Resemblance Theories“ (wie
Anm. 1558), S. 223, hat das neuerlich anschaulich resümiert: „To express a mental state is
to display outwardly an actual occurrent state in one’s psychology, whereas being expres-
sive of a mental state involves merely displaying outwardly features typically associated
with that state, without necessarily having or feeling that state.“
1562 Kivy, Corded Shell (wie Anm. 673), S. 20–24. Zur Camerata Fiorentina siehe etwa auch:
Herbert M. Schueller, „Correspondences Between Music and the Sister Arts, According
to 18th-Century Aesthetic Theory“, in JAC 11/4 (1953), S.Â
334–359, sowie vor allem Ruth
Katz, Divining the Powers of Music: Aesthetic Theory and the Origins of Opera, New York 1986.
1563 Kivy, Corded Shell (wie Anm. 673), S. 24. Für ein konzises Resümee vgl.: Mark DeBellis,
„Music“, in Gaut/Lopes, Routledge Aesthetics (wie Anm. 384), S. 531–544, hier S. 533f.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423