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Ein Beirat ist ein politisches Unding und bei dem jetzt herrschenden Sulta-
nismus in ruhigen Zeiten [eine] Null, in gefährlichen aber entweder gleich
über Bord geworfen oder fertiger Revolutionsausschuss.
Ein solches unhistorisches Machwerk eines revolutionären Willens wird
aber nie eine Wurzel im Volke haben, unpopulär sein, wie der Reichsrat es
ist, alle Institutionen in Misskredit bringen und bei nächster Gelegenheit
unbeachtet und unbetrauert beiseite geworfen werden.
Lösch, 23. August 1854
Am 12. nach Wien gefahren, am 13. dort geblieben und mit Hugo Salm die
sogenannte Verfassung besprochen. Er meinte, man müsse annehmen, was
nicht zu ändern sei, und dasselbe auszubilden und mit einem guten Geiste
zu durchdringen suchen.
Ich erwiderte ihm, dass man früher in gewissen Formen alles Glück und
alle Weisheit gegeben glaubte, dass man später den Irrtum erkannt und in
sich den Doktrinär mit Schrecken gewahr geworden. Nun verfalle man ins
andre Extrem und sehe die höchste politische Weisheit in der Verleugnung
aller positiven Grundsätze, indem man alles anzunehmen und für sich aus-
zubeuten, was die Gewalt zuzulassen für gut findet, als höchsten Zweck der
Staatskunst betrachtet.
Man benagt emsig und mit Resignation die hingeworfenen Knochen, da
man für den Augenblick eben kein Fleisch bekommt.
Kübeck sagte, es sei unser letzter Anker. Wie aber, wenn es der letzte
Strick wäre, den man uns um den Hals wirft?
Mir will aber die Moralität dieser Lehre, alles, was der sultanische Wille
beschließt, sofort eifrig durchzuführen, nicht einleuchten. Nicht einmal klug
scheint es mir, sich zum Bundesgenossen dieser fortgesetzten Revolution zu
machen.
So wird man die Monarchie nicht wiederherstellen, sondern nur dem Sul-
tanismus neue Zuversicht geben.
Wer gewinnt dabei als allein die Demokraten?
Am 14. in Graz eingetroffen, Richard gesprochen, der ebenfalls meint,
man solle benützen, was man eben hat. Dort einen Brief von Chlumecký er-
halten, der mich zu bewegen sucht, meinen Einfluss bei der neuen Organisa-
tion geltend zu machen.
Ich kämpfe einen schweren Kampf und einen umso schwereren, als ich ge-
gen alle klugen und rechtlichen Freunde mit meinen Ansichten allein stehe.
Möge Gott mich erleuchten!
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Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115