Seite - 384 - in Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
Bild der Seite - 384 -
Text der Seite - 384 -
1873382
Ihm schloss sich Dr. Fanderlík,926 P. Wurm, Pfarrer Weber,927 Notar
Ganzwohl928 und Dr. Mild
schuh929 an. Dr. Šrom erklärte sich für die Absti-
nenz, werde sich jedoch dem Majoritätsbeschluss fügen.
Ich sprach für das unwandelbare Festhalten an den Parteiprinzipien und
der Parteiaktion und erklärte, mein Mandat niederzulegen, wenn die Majo-
rität den Eintritt beschlösse.930
Nachdem tagelanges Reden, Bitten und Drängen nichts an meinem Ent-
schluss änderte, erklärte endlich Dr. Pražák, wir sollten uns die Sache noch
länger überlegen und den definitiven Beschluss bis zum Wiederzusammen-
tritt des Reichsrates im Jänner 1874 vertagen. Damit ging die Konferenz –
die Eintrittslustigen sehr verstimmt – auseinander.
In der Frage der Landtagsbeschickung glaubte ich dagegen nachgeben zu
sollen, da unser Rechtsstandpunkt da – durch mehrfache Verwahrungen ge-
gen Präjudiz – gesichert ist und da es der Regierung und der gegnerischen
Presse gelungen ist, unser Volk schwankend zu machen und gegen die Absti-
nenz und für den Eintritt zu stimmen.
Um dieses wieder fest zu machen und zu disziplinieren, setzte ich dem vo-
raussichtlichen zwecklosen Eintritt in den auf den 26. November berufenen
Landtag keinen Widerstand entgegen.
Der Erfolg hat seither bewiesen, dass ich richtig vorhergesehen und im
Landtag nichts zu erreichen sei. Die Wirkung außerhalb desselben, der ein-
zige Zweck, den ich vor Augen hatte, muss sich erst zeigen. Langsam geht es
damit bei unsrem weichen, nachgiebigen Volke und seiner politisch wenig
regen Intelligenz!
926 Joseph Fanderlík (1839–1895), Konzipient bei seinem Cousin Alois Pražák in Brünn. 1868
Rechtsanwalt, übernahm 1879 Šroms Kanzlei in Ungarisch Hradisch, heiratete 1889 die
Tochter seines Abgeordnetenkollegen Johann Helcelet. MmLT (ab 1871), ab 1884 auch
Beisitzer des Landtagsausschus ses, sowie MöAH (1873–1895), als Vertreter des liberalen
Flügels in den neunziger Jahren Anhänger einer Verständigung mit den Jungtschechen
927 Franz Weber (1826–1908), Pfarrer in Milotitz bei Göding von 1856–1906. MmLT 1861–
1902, MöAH (1873–1888, 1890–1897).
928 Josef Ganzwohl (1825–1885), seit 1859 Notar in Ungarisch Hradisch, MmLT (1867–1878),
MöAH (1873–1879).
929 Wilibald Mildschuh (1834–1896), ab 1869 Rechtsanwalt in Kremsier, vorher u. a. Konzi-
pient bei Ganzwohl und Ryger, MmLT (1871/72), MöAH (1873–1879).
930 Belcredi hatte allerdings neben Spiegel auch von Stillfried (1. Juli) und August Fries
(10. Juli) Schreiben erhalten, die sich für den Eintritt in den Reichsrat aussprachen. Fries
kam dabei auch auf die Episode der Fundamentalartikel zu sprechen: „Es war ein unend-
licher Mißgriff, daß von unserer Partei einseitig vorgegangen wurde, ohne sich mit der lei-
tenden Partei Ungarns, ohne sich mit unseren Alliierten in den übrigen Provinzen besser
verständigt zu haben.“ So habe man „durch unser unkluges Vorgehen einen Orkan herauf-
beschworen.“
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115