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LÖSCH, 22. MAI 1857 187
nach Erwerb hat mich noch nie zu einer besondern physischen Anstrengung,
zur Erforschung vieler Diebstähle, Bevorteilungen und Pflichtverletzungen
usw. vermocht.
Schon die uns angeborne und anerzogene Nonchalance in Geldsachen und
die Scheu, als ein Mensch zu erscheinen, der Jagd auf jeden Kreuzer macht,
hindert uns, scharf und genau auf unsern Vorteil zu sehn. Gerade deshalb
aber sind wir nicht befähigt, Geschäfte zu besorgen, die unausgesetzte Nach-
sicht, Aufsicht, Tätigkeit und persönliches unmittelbarstes Eingreifen unwi-
dersprechlich erheischen! –
Es ist aber ein sehr vernehmliches Gebot der Zeit, welches dem Ackerbau
vorschreibt, durch raschen Fortschritt vielseitigen Anforderungen zu genü-
gen.
Hier ist aber die Selbstverwaltung des Adels ein schwerwiegendes Hin-
dernis. Seine ausführenden Organe, die Beamten, werden nimmer an
Kenntnissen und Tätigkeit den Pächtern gewachsen sein, da bei diesen
Klassen, im Gegensatz zum Adel, der Erwerbtrieb und das Geldinteresse
der unbestreitbar stärkste Hebel ist, und dieser den Beamten fehlt. Die
verbesserte Viehzucht, rationelle Ackerbestellung, Einführung von Maschi-
nen, industrielle Landwirtschaft etc. werden bei Selbstbewirtschaftung des
Adels niemals nennenswerte Fortschritte [machen]. Beispiele, wie die von
A[dolf] Schwarzenberg303 und andern gegebenen, haben ihr unbestreitbares
Verdienst, man darf aber ihre Wirksamkeit nicht über die Gebühr ausdeh-
nen. Die Landwirtschaft so gut wie jedes andre Gewerbe erreicht nur dann
die wahre Blüte, wenn Steigerung des Ertrags und Einkommens alleiniges
Ziel ist. Der leitende Landwirt muss daher unausgesetzt all sein Achten und
Trachten mit Aufgebot aller Kraft an Erreichung dieses alleinigen Zweckes
setzen. Die Landwirtschaft ist und kann keine noble Passion sein, und alle
unklaren Humanitätsbestrebungen, in Verbindung damit gebracht, sind ei-
tel Humbug und jenes Gewerbe ist äußerste Prosa, und kann vernünftig nur
ganz amerikanisch betrieben werden.
Deshalb wird aber eben sein Betrieb niemals eine adelige Beschäftigung
sein oder werden können.
303 Johann Adolf II. Fürst zu Schwarzenberg (Primogenitur, 1799–1888) war der größte
Grundbesitzer Österreichs, Präses der k. k. Patriotisch-Ökonomischen Gesell
schaft im Kö-
nigreich Böhmen und längere Zeit auch Vorsitzender des Verwaltungsra
tes der Österrei-
chischen Creditanstalt in Wien. MöRR 1860, MöHH ab 1861, wo er ebenso wie als MbLT
(1861–67) gemäßigt-konservative Positionen vertrat. Vgl. Raimund paleczek, Die Moder-
nisierung des Großgrundbesitzes des Fürsten Johann Adolph II. zu Schwarzenberg. Bei-
spiel einer deutsch-tschechischen Symbiose in Südböhmen im Neoabsolutismus 1848
–1860
(= Schriftenreihe der Kommission für Deutsche und Osteuropäische Volkskunde in der
Deutschen Gesellschaft für Volkskunde, 93), Marburg 2009.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115