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WIEN, 15. DEZEMBER 1880 587
Vorbedingung zu den notwendigen Reformen, die Einigkeit zu erhalten, alle
Kräfte bindet und es nicht zu den Reformen kommen lässt!
Wir bewegen uns in einem Circulus vitiosus und müssen in diesem Bann
machtlos zusehen, wie die Zeit unbenutzt verstreicht, das Leben, unbeküm-
mert um das hohe Abgeordnetenhaus, seine Wege geht und die Revolution
fortschreitet.
Darin findet auch die Haltung Heinrich Clams und jene von uns allen ihre
Erklärung und Entschuldigung vor dem gerechten Urteil der Geschichte.
Diese Parlamentsmajorität ist eben eine Flinte, welche zerspringt, wenn
man daraus schießt.
Dass dem so ist, daran trägt die Schuld die Unnatur eines Zentralparla-
ments in einem Föderativstaat, der einmal das historische Österreich ist.
Alles, was über den engen Kreis der allen und wahrhaft gemeinsamen
Angelegenheiten hinausgreift, ruft naturnotwendig die Reaktion der Teile
hervor, welche sich dadurch in ihren Interessen benachteiligt fühlen oder
glauben.
Wien, 15. Dezember 1880
Die Menschen sind einmal inkurabel, lernen weder aus der Geschichte noch
aus eigener Erfahrung, und Quem Deus perdere vult, dementat.
Mein dummer Schwager Hugo Taxis ließ sich in den Verwaltungsrat der
Länderbank „kooptieren“.
Er schadet seinem Namen und seinem Stande, wenn er auch aus der kon-
servativen Partei vor Jahren austrat und dafür von Lasser, genannt Auer-
sperg, mit der Würde eines Geheimen Rates „ausgezeichnet“ wurde.
Rudolph Wrbna ist jetzt im Exekutivkomitee der „verfassungstreuen“ Par-
tei des Herrenhauses.
Vor etwa 15 Jahren ließ er mich einmal eigens dringend zu sich bitten, um
mich zu fragen, ob er seinen konservativen Prinzipien nicht entgegenhandle,
wenn er die Einladung Schmerlings zu einer Soiree – damals Minister – an-
nehme. Tempora mutantur etc.
Das Vaterland Nr. 338 vom 8. Dezember 1880 – überhaupt die beste jetzt
bestehende Zeitung in deutscher Sprache – brachte in seiner „volkswirt-
schaftlichen“ Abteilung einen ganz vortrefflichen Aufsatz von Dr. Rudolf
Meyer überschrieben: „Wirtschaftlicher Positivismus“1451
Leider ist alles vergeblich, und wir treiben ruder- und führerlos in den
Abgrund der Revolution!
1451 [Rudolf Meyer,] Wirtschaftlicher Positivismus, in: Das Vaterland, 8.12.1880, 6.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115