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Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 57
an die Nomaden auf den Hochflächen der Mongolei oder Tibets. Man rechnet
auch mit einer starken Zunahme der Gartenkultur,145 die schon in spätantiker Zeit
ein wichtiger Nahrungsmittellieferant gerade der ärmeren Menschen war.146 Viele
klassische Pflanzen der Gartenkultur wie Bohnen und Erbsen, aber auch Mohn
sind mittels Pollenuntersuchungen nicht nachweisbar.147
Wie oben dargelegt wurde, ist die Vegetationsperiode in vielen Orten der Alpen
vor allem wegen der Höhe und des lokalen Sonnenmangels verkürzt, so dass die
richtige Auswahl der Getreidesorte für das Überleben maßgeblich ist. Der An-
bau von Nachfrüchten ist meistens nicht möglich.148 Je näher das Anbaugebiet an
seine klimatischen Grenzen kommt, desto höher ist die Gefahr eines Ernteausfal-
les. Klimatische Randzonen kann man mit dem Risiko des Ernteausfalles definie-
ren. Dieses Risiko steigt mit der Höhe über dem Meeresspiegel oder ungünstigen
Standortfaktoren. In solchen Gebieten wirken sich klimatische Veränderungen be-
sonders aus,149 denn hier kann ein nur leichtes Absinken der Durchschnittstempe-
ratur den Standort für den Anbau vieler Pflanzen völlig unbrauchbar machen, da
das Risiko des Ernteausfalles zu hoch wird. Der Begriff der „Marginalzone“ wird
von M. Parry mit der Wahrscheinlichkeit des Ernteausfalles definiert. Der Forscher
konnte zeigen, dass die schottischen Bauern tatsächlich in klimatisch günstige-
ren Zeiten höher gelegenes Ackerland benutzten, das bei kälteren Klimaphasen
schnell wieder aufgegeben wurde. 150 Analog dazu mussten Siedlungen in den Al-
pen aufgrund von klimatischen Verschlechterungen im Spätmittelalter verlassen
werden. Diese waren oft Gründungen aus einer Zeit gewesen, als Bevölkerungs-
wachstum und herrschaftlicher Landesausbau die Siedlungsgrenze künstlich nach
oben gedrückt hatte.151 Die meisten dieser sehr hoch gelegenen Neugründungen
lebten von reiner Viehwirtschaft. Die landwirtschaftliche Produktion dieser Höfe
war daher schon von der Grundherrschaft gesteuert und nicht von den Bedürfnis-
145 Poulter, L’avenir du passé 340.
146 Drexhage, Wirtschaft 69.
147 Drescher-Schneider, Vegetations- und Besiedlungsgeschichte 185 ff.
148 Mathieu, Landwirtschaft und Städtewachstum 164.
149 Parry, Climatic change and the agricultural frontier 327.
150 Ebd. 319 ff.
151 Meyer, Besiedlung und wirtschaftliche Nutzung 239 ; Krawarik, Siedlungsgeschichte 256 f. Dagegen
erklärt Klein, Beiträge 61 f., für den Salzburger Raum den Rückgang der Siedlungstätigkeit in den
Höhenlagen ausschließlich durch den Rückgang der Bevölkerung aufgrund der Pest in den Jahren
1348/49. Demnach wären die Bauernstellen in Ungunstlagen deshalb gesamt verödet, weil die
Grundherren die Menschen von dort in die wirtschaftlich lukrativeren, aber durch die Pest leerste-
henden Höfen des Flachlandes übersiedelt hätten.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361