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Christentum 205
heidnische Zwecke genutzt worden wäre.186 Synkretismus dürfte überhaupt sehr
verbreitet gewesen sein und wo ein Kleriker pures Heidentum sah, konnten die
Menschen durchaus eine Selbstwahrnehmung als Christen haben.187
Eine neue Phase der Christianisierung in Baiern erfolgte unter dem agilolfingi-
schen Herzog Theodo. Dieser holte um 696 den fränkischen Bischof Rupert ins
Land und bat ihn, einen Ort für sein Wirken auszusuchen. Rupert erwählte das an-
tike Iuvavum, das bald seinen Namen zu Salzburg wechselte. Diese Entscheidung
legte die Basis für die kirchliche, aber auch kulturelle Zukunft des Ostalpenraumes.
Salzburg hatte wahrscheinlich keine antiken Bistumstraditionen, obwohl in der
Stadt selbst, aber auch im Umland ein Fortdauern der romanischen Besiedlung
und einer Klerikergemeinschaft sowie die kontinuierliche Benutzung von Sakral-
bauten sehr wahrscheinlich waren.188
Rupert hatte auf der Suche nach einem geeigneten Ort zuerst Lauriacum/
Lorch aufgesucht. Hier war nicht nur die christliche Tradition nach wie vor le-
bendig, sondern es war auch noch der antike Bischofssitz in Erinnerung.189 Doch
Lauriacum/Lorch lag Anfang des 8. Jh. für eine „Reaktivierung“ zu sehr an der
Peripherie und zu nahe an der Grenze des bairischen Herzogtums zu den awa-
rischen und slawischen Nachbarn. Auch die Einbindung der in Salzburg leben-
den, einflussreichen Romanen mag ein Anlass gewesen sein.190 Diese hatten beste
Kontakte in das Gebirge, wie die Gründungsgeschichte der Maximilianzelle in Bi-
schofshofen zeigt, aber auch zum Herzog.191 Ein weiterer Grund für die Wahl die-
ser Stadt als neues kirchliches Zentrum waren die Salinen des heutigen Bad Rei-
chenhall. Diese werden schon in der Notitia Arnonis und den Breves Notitiae192
erwähnt und gehörten bereits zur Erstausstattung der Rupertschen Kirche.193 Die
186 Vita Galli Auctore Wettino c. 6 MGH SS rer. Merov. 4, S. 260 ; Kaiser, Churrätien 86.
187 Überblick in Padberg, Die Christianisierung Europas 63 ff. Siehe dazu auch das folgende Kapitel.
188 Moosleitner, Frühe Kirchenbauten im Land Salzburg 439 : „Nur im Bereich der ‚Romania‘ ist in
Salzburg mit einer Kontinuität christlicher Kultbauten von der Spätantike bis ins Frühmittelalter zu
rechnen […]“, jedoch seien, bis auf den Georgenberg bei Kuchl, bislang noch keine Kirchen archäolo-
gisch untersucht worden. Prinz, Klerus und Krieg 439 ; Kahl, Zwischen Aquileia und Salzburg 44. Zu
den Salzburger Romanen siehe auch das Kapitel „Der zentrale Alpen- und Voralpenraum“ ab S. 305.
189 Erkens, Die Ursprünge der Lorcher Tradition 443 ff. In Lorch gibt es zudem eine Platzkontinuität
der kirchlichen Gebäude.
190 Zur Definition „Romanen“ siehe S. 305.
191 Mehr dazu im Kapitel „Der zentrale Alpen- und Voralpenraum“ ab S. 311 ff.
192 BN 2.5, NA 1.3 ed. Lošek 90, 72.
193 Auch die Reihengräber aus dem 6. Jh. deuten schon auf eine sehr frühe Nutzung der Salinen. Rö-
misch-Germanisches Zentralmuseum (Hg.), Römisch-Germanisches Zentralmuseum 150 ff. NA
1.3 ed. Lošek 73.
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Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361