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Besiedlung 237
liche Bedeutung kaum verloren hatten. Genf etwa reduzierte zwar den Stadtkern
innerhalb der Mauern, doch die Vorstädte außerhalb der Mauern wuchsen sogar.365
Das direkt in den Alpen gelegen Sedunum/Sion/Sitten betrieb schon unter den
Merowingern eine Münzwerkstatt,366 ebenso wie Chur.367 Ab dem 8. Jh. werden
die Quellen wieder aussagekräftiger. In den Ostalpen wuchs die Bedeutung von
Salzburg, das bald Erzbistum und bedeutendes Salzhandelszentrum war.368
Dennoch stellten sich das frühmittelalterliche Chur und Salzburg kaum als
Stadt im heutigen Sinn dar : Die archäologisch festgestellten Siedlungsspuren sind
schwach und kleinräumig.369 Trotzdem unterschieden sich solche Orte deutlich
von denen des Umlandes : etwa durch Mauern, größere Kirchen oder einfach
durch die Residenz eines bedeutenden geistlichen oder weltlichen Machtträgers.
Aus der Sicht des frühmittelalterlichen Menschen machte das aus einem Dorf eine
Stadt. Für größere Orte wurden alle möglichen Begriffe genutzt, dennoch scheinen
die Menschen zwischen den einzelnen städtischen Siedlungstypen differenziert zu
haben. Die genauen Kriterien, die eine Siedlung aus den anderen heraushoben und
damit eine andere Bezeichnung erforderten, sind aber nur schwer auszumachen
und waren auch für die Zeitgenossen nicht ganz eindeutig. Dies kann man bei Gre-
gor von Tours erkennen, als er den vicus Dijon besuchte. Ihn wunderte es, dass der
Ort alle Merkmale einer civitas vorwies – einen Bischof, eine Mauer – und trotz-
dem nicht so genannt wurde : „Qui cur non civitas dicta sit, ignoro.“370 Die Klas-
sifizierung eines Ortes war also von anderen Dingen abhängig als der subjektiven
Einschätzung des Beschreibers, etwa von der Tradition oder der Einbindung in die
herrschaftlichen Strukturen. Obwohl es ihm auf der Zunge lag, konnte Gregor von
Tours für Dijon nicht das Wort civitas gebrauchen, da dies nicht dem allgemeinen
Sprachgebrauch entsprach.
Ein wichtiger Punkt in der Wahrnehmung einer Siedlung als bedeutenden Ort
und damit als civitas oder oppidum war die Befestigung. Für Cassiodor ist eine
Stadtmauer ein „ornatus pacis“ und eine „bellorum necessitas“.371 Auch in Gregor
von Tours Schriften war eine Stadt des 6. Jh. vor allem eine ummauerte Siedlung.372
365 Bonnet, Topographie chrétienne150.
366 Martin, Von der römischen Randprovinz 57.
367 Windler, Land und Leute 179.
368 Siehe dazu das Kapitel „Lokale Macht und Herrschaft : Der zentrale Alpen- und Voralpenraum“ ab
S. 305.
369 S. u. ab S. 248.
370 Gregor von Tours Hist. III 19.
371 Cassiodor Var. I 28.
372 Gauthier, Le paysage urbain 50 ; Wickham, Framing 679.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361