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290 Menschen in den Alpen
ten angesiedelt.687 Innichen sandte Ende des 13. Jh. Siedler aus dem Pustertal nach
Oberkrain.688 Andere planmäßige Zusiedlungen des hohen Mittelalters waren z. B.
Sachsen im Villgratental oder die ostfränkische Neubesiedlung nach dem Erdbe-
ben von Villach 1351 durch den Bischof Friedrich von Bamberg.689
Menschen, die im Handel tätig waren, konnten ebenfalls auf internationale
Netzwerke vertrauen und waren sehr mobil. Über die Handelsverbindungen und
Niederlassungen orientalischer bzw. jüdischer Händler direkt in den Alpen kann
für die Zeit des frühen Mittelalters noch kaum etwas gesagt werden, diese Gruppe
wird erst ab der karolingischen Zeit greifbar.690
All diese Menschen – Adelige, Geistliche, Händler und Händlerinnen – prägten
einerseits die Region, in der sie sich aufhielten, andererseits brachte ihre Mobilität
auch mit sich, dass sie sich schnell aus einem Gebiet zurückziehen konnten, sollte
es die politische Situation erfordern. Dies sieht man besonders gut an den Bischö-
fen des Balkans, die Ende des 6. Jh. vor den Slawen flohen.691
Flüchtlinge sind eine für diesen Zeitabschnitt ebenfalls belegte Gruppe. Einige
zogen nur durch das Gebirge, beispielsweise die Alemannen, die im Jahr 507 in Nori-
cum ihre ermüdeten Tiere gegen einheimische Rinder tauschen durften (s. o.).692
Bei der Verknüpfung archäologischer Funde mit historischen Ereignissen sollte man
vorsichtig sein, doch der Fund von zwei typisch alemannischen Fibeln, die in das
ausgehende 5. und beginnende 6. Jh. datiert werden, könnte eine Hinterlassenschaft
dieser Flüchtlinge sein.693 Anfang des 7. Jh. flüchtete vielleicht eine größere Gruppe
Bulgaren in die Ostalpen, sie ließen sich jedoch nicht dauerhaft nieder.694 Eventuell
fanden westgotische Mönche, die nach 711 aufgrund der maurischen Eroberung der
iberischen Halbinsel auswanderten, auch im Alpenraum Unterkunft. Einige eigen-
tümliche Heilige, die in Salzburgs Liber Confraternitatum auftauchen, könnten dar-
auf hindeuten. Sie stammen ursprünglich aus dem iberischen Raum, ebenso wie der
Legende nach der Gründer Reichenaus, Pirmin. Im dortigen Verbrüderungsbuch,
wie auch im Salzburgischen, finden sich einige Personennamen, die man gotisch
deuten kann.695 Als im Laufe der Spätantike die Gebiete zwischen Donau und nörd-
687 Štih, Slowenische Geschichte 57.
688 Huter, Siedlungsleistung und Grundherrschaft von Innichen 481.
689 Scheffel, Verkehrsgeschichte der Alpen 114.
690 Toch, Die Juden im mittelalterlichen Reich 5.
691 Pohl, Awaren 148.
692 Cassiodor Var. III 50.
693 Ladstätter, Die materielle Kultur 179.
694 Fredegar IV 72 ; Pohl, Awaren 269 ; Ziemann, Vom Wandervolk zur Großmacht 132.
695 Karwiese, Salzburgs vergessene Heilige 14 f.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361