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Resümee 347
Obwohl viele dieser Festen bekannt sind, ist es trotzdem kaum möglich in den
Alpen die genauen Grenzen festzumachen. Auch hier zeigt sich im gesamten Ge-
birge ein ähnliches Bild : einige „Hotspots“ waren gut ausgebaut, hier dürften die
Grenzpunkte zwar genau definiert gewesen sein, waren aber aufgrund wechseln-
der Machtverhältnisse sehr variabel und schnelllebig. Ein Beispiel dafür ist die
Grenze zwischen dem bairischem Herzogtum und dem langobardischen König-
reich im heutigen Südtirol. Andere Grenzen scheinen weite Grauzonen gewesen
zu sein, die herrschaftlich wenig besetzt waren, etwa im Ostalpenraum. Aber auch
hier war den Nachbarn die Grenze wohl bewusst, wie etwa die Zerstörung des
Klosters Bischofshofen Anfang des 8. Jh. durch „benachbarte“ Slawen zeigt. Die
Gründung eines Klosters in solchen Grenzräumen wurde offenbar als Grenzver-
letzung angesehen. Darüber hinaus hatten die Menschen des frühen Mittelalters
kein konzeptuelles Problem damit, wenn die Herrschaft sich nicht einheitlich über
ein Territorium erstreckte, und beispielsweise einzelne Punkte innerhalb dieses
Raumes von einer anderen Herrschaft besetzt waren, wie die byzantinischen Fes-
tungen des endenden 6. Jh. in Norditalien zeigen.
Das Wegenetz hatte seine Fundamente in römischer Zeit. Die Römer hatten
schon bald nach der Eroberung der Alpen um die Zeitwende begonnen, den
Verkehr über die Alpen an wenigen Hauptübergängen zu bündeln und diese gut
auszubauen. Hauptnutzer waren das Militär, durch die Truppenversorgung und
Heeresbewegungen, das Nachrichtensystem und der Handel. Auch hier herrsch-
ten um das Jahr 500 im gesamten Gebirge ähnliche Strukturen. Im frühen Mittel-
alter änderten sich diese Wege aufgrund einiger neuer Entwicklungen. Der Handel
erfuhr im dieser Zeit eine starke Umorientierung. Die Absatzmärkte von vielen
Produkten des Fernhandels, beispielsweise Getreide, Keramikprodukte oder Mar-
mor, brachen zusammen. Die Nachfrage nach Luxusprodukten hingegen blieb un-
gebrochen. Statt Wägen wurden nun zunehmend Pferde und andere Pack- und
Reittiere genutzt. Dies trifft auch für das Militär zu. Das frühmittelalterliche Heer
war, im Gegensatz zum antiken, mit seinen Reitereinheiten wesentlich wendiger
und mobiler, weshalb nun auch direktere Wege über steilere und höhere Pässe
genutzt werden konnten. Der Verfall der römischen Passstraßen war weniger die
Ursache der Nutzung neuer Wege, sondern deren Folge. Viele aufwendige Bauten
der römischen Zeit verfielen daher, etwa die Straße über den Radstädter Tauern-
pass oder die Kunterschlucht zwischen Säben und Bozen. Die nicht mehr begeh-
baren Strecken konnten meist unschwer lokal umgangen werden, etwa am Hang
oberhalb der Schlucht.
Eine andere Ursache für die Entstehung neuer Wege waren neue Verkehrs-
ströme. In den südlichen Westalpen stellte in römischer Zeit der Mont Cenis den
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361