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Resümee 351
war, hier wirklich eingreifen zu können. Davor hätte eine Störung der Verhältnisse
vielleicht nur eine Blockade der Pässe bedeutet.
Anders in den slawischen Ostalpen : Hier bewirkte die Eroberung des Raumes
durch Slawen und Awaren, dass spätantike Strukturen so verschüttet wurden, dass
sie in den Quellen des 9. Jh. nicht mehr sichtbar sind. Doch es gibt eine Dis-
krepanz zwischen der Darstellung des Raumes in den Überlieferungen und den
vorhandenen Hinweisen in Archäologie und Ortsnamenkunde. In den so heid-
nisch dargestellten Ostalpen dürfte beispielsweise das Christentum durchaus noch
verbreitet gewesen sein. Allerdings zeigt sich eine starke Verlagerung des Reich-
tums : von prächtigen Kirchenbauten Anfang des 6. Jh. zu reichen militärischen
Grabbeigaben im 8. Jh. Da diese Grabbeigaben auffällig oft an Kreuzpunkten von
Verkehrsrouten gefunden wurden, darf man hier wohl einen Zusammenhang ver-
muten. Die Führungsschicht des Raumes hatte also eine bedeutende Wandlung
durchgemacht, gleichzeitig zeigen die Ortsnamen, dass die slawische Sprache nun
vorherrschend war. In den Quellen des 7. und 8. Jh. wird stets das Heidentum der
Slawen allgemein betont und die vielleicht gar nicht unbedeutenden christlichen
Reste verschwiegen : Christliche Mission war immer auch ein Mittel zur Erlangung
von Herrschaft. Das für Karantanien verantwortliche Salzburg hatte einen weite-
ren Grund, das Heidentum hier zu betonen : Eigentlich war der Raum dem nord-
italienischen Aquileia zugeordnet gewesen, dass sich hier sehr wohl noch an seine
Ansprüche erinnern konnte. Es wurde versucht, die Mechanismen zu beleuchten,
die innerhalb von nur wenigen Generationen diesen (scheinbaren) völligen Kul-
turwandel zur Folge hatten. Eine ausführliche Untersuchung bleibt nach wie vor
ein Desiderat der Forschung.
Die Gesamtschau der Alpen im frühen Mittelalter zeigte also, dass die Quel-
len zwar für einzelne Täler spärlich sein mögen, aber im Gesamten den Schluss
zulassen, dass sie keineswegs marginal und Randgebiete waren. Auch die An-
nahme, dass durch den Bevölkerungsrückgang der Spätantike besonders die Ost-
alpen kaum mehr besiedelt waren und hier nichts mehr stattfand, das man als
„Geschichte“ bezeichnen kann, ist nicht zu halten. Denn die punktuell erhaltenen
Hinweise zeigen ganz deutlich, dass die alpine Bevölkerung aktiv am politischen
Geschehen beteiligt war und die von den Einheimischen erhaltenen Strukturen als
Motor für die zahlreichen Alpenquerungen der Zeit fungierten. Alle Gebirgsräume
waren im fraglichen Zeitraum zwar nominell einem großen Reich des Flachlandes
untergeordnet, verfügten aber faktisch über große Autonomie. Die Verwaltung der
Wege und des Raumes wurde weitgehend lokal mit nur geringer Mithilfe durch
außeralpine Amtsträger organisiert. Daraus ergab sich die alpentypische Kombi-
nation von funktionierendem Zugriff der europäischen Großmächte und selbstbe-
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361