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Leitperspektive
Am 28. Juni 1914 wurde nicht nur gestorben. Genau an diesem Tag kam nämlich
im steirischen Bad Radkersburg (slowenisch: Radgona) ein Säugling zur Welt. Sein
Zwillingsbruder starb bei der Geburt. Über seine Eltern ist nur wenig bekannt. Die
Mutter war Hausfrau. Sein Vater war Gendarmerie-Bezirksinspektor. In Radkers-
burg wird das Kind, das die Eltern Anna und Josef Heim auf den Namen Aribert
Ferdinand taufen, auch in die Volksschule gehen. Die anschließende Mittelschule
wird Aribert in Graz besuchen. Seine Reifeprüfung wird er zu einer Zeit ablegen,
als Vinzenz Muchitsch Grazer Bürgermeister ist. Der gelernte Bäcker Muchitsch
bekleidete dieses Amt ab 1919 und er sollte es noch bis zum 12. Februar 1934 in-
nehaben. Zu dieser Zeit lebte Aribert aber bereits in Wien, das – wie Graz – von
einem sozialdemokratischen Bürgermeister regiert wurde.1 Neben seinem Medi-
zinstudium gab er Nachhilfeunterricht und spielte Eishockey im Wiener Eisho-
ckeyverein „EK
Engelmann“ sowie in der österreichischen Eishockey-Staatsmann-
schaft. 1939 holte er sich mit dem „EK
Engelmann“ den deutschen Meistertitel.2 Im
alles entscheidenden Titelfinale besiegte sein Team nämlich den siebzehnfachen
Meister „Berliner Schlittschuhclub“ mit 1:0. Es war das einzige Mal, dass ein Wie-
ner Verein deutscher Eishockey-Meister wurde.
Ein Jahr nach dem Meistertitel – im Jahr 1940 – promovierte der Eishockey-
spieler aus Bad Radkersburg (Radgona) und meldete sich freiwillig zur Waffen-
SS. Bereits seit 1935 war er Mitglied in der vom Dollfuß/Schuschnigg-Regime
(1933–1938) verbotenen SA und NSDAP. Sein Eintritt in die SS erfolgte ein halbes
Jahr nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland.
Aribert konnte dadurch auf die SS-Ärztliche Akademie, die damals noch nicht in
Graz, sondern in Berlin untergebracht war, gehen.3 1941 arbeitete er im KZ Sach-
senhausen, dann im KZ Buchenwald und für einige Monate arbeitete der Eisho-
ckey-Spieler Aribert Heim als Lagerarzt im KZ Mauthausen. Nach 1941 kämpfte
Heim an verschiedenen Fronten. Am 20. April 1944 wurde er zum SS-Haupt-
sturmführer ernannt. Im letzten Kriegsjahr zog er mit der SS-Division in die Ar-
1 Das „Rote Graz“ hatte mit dem „Roten Wien“ aber nur wenig gemein.
2 Vgl. zwei Artikel, die in nationalsozialistischen Zeitungen gedruckt wurden: VK. Engelmann
wurde deutscher Eishockeymeister, in: Fußball-Sonntag, 16.4.1939, [ohne Seitenangabe, d. h. in
der Sparte „Volkssport in bunten Bildern“]; Festlicher Empfang der „Engelmänner“, in: Volks-
Zeitung, 12.4.1939, 9.
3 Im Herbst 1940 wurde die SS-Ärztliche Akademie nach Graz verlegt.
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453