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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Forschungsgeschichte | 17 Weltkriegs. Die Literatur der 1920er- und 1930er-Jahre, so unterschiedlich gut und schlecht ihre Formen und Erzeugnisse auch sein mögen, kennt den Krieg mit all seinen Verläufen, Auswirkungen und Ausgängen. Und dieses Wissen bzw. diese am eigenen Körper erfahrenen Kriegsfolgen führten dazu, dass sich der Kriegsbe- ginn im Nachhinein umso freudiger, gelassener und heller darstellte.10 Schließlich sind die Erinnerungen nie identisch mit dem eigentlichen Erlebnis – „die Erinne- rung arbeitet“.11 Das ist erinnerungspolitisch verständlich, aber es ist für die Er- forschung der unmittelbaren Reaktionen der Bevölkerung auf den Kriegsbeginn wenig geeignet. Denn was in der Nachkriegszeit von (zu meist männlichen) Poli- tikern, Militärs und Schriftstellern über die Reaktionen der Bevölkerung auf den Kriegsbeginn geschildert wurde, war zumeist Teil einer in einem Guss gefertigten Kriegsverarbeitung. Und diese formte sich im deutschsprachigen Raum primär aus diversen Ansichten hinsichtlich des variantenreichen „Dolchstoßes“, der „Kriegs- unschuld“, der „Schützengrabengemeinschaft“, der „Frontkämpfer“, des „Kriegser- lebnisses“, des „Im-Felde-Unbesiegt-Seins“ oder der „undankbaren Heimat“. Dadurch entstanden (wissenschaftlich ernstzunehmende) Kriegsverzerrungen, die aber aus heutiger Sicht nicht länger als Referenzpunkt für den Kriegsbeginn 1914 dienen können.12 Stattdessen sind diese Kriegserinnerungen Ausdruck einer schwerfallenden Kriegsverarbeitung: Man versuchte, das Unbegreifliche, wie die Niederlage oder den Hunger, begreiflich zu machen. Man versuchte, das Unsag- bare sagbar zu machen. Und man versuchte, die Welt, die nun eine andere war, zu ordnen: politisch, sozial, ökonomisch, juristisch und verwaltungstechnisch.13 Und durch diesen Verarbeitungsprozess entstanden Ansichten über den (Ersten) Welt- krieg, die nicht als naiv-schmuddelige „Kriegstümelei“ diskreditiert werden dür- fen. Der mehrmals in den nachkriegszeitlichen Überlieferungen zum Ausdruck kommende Glaube an eine allumfassende Kriegsbegeisterung war wirkmächtig. Er begann bereits während des Kriegs und setzte sich in den Nachkriegsjahren fort: 10 Leonhard (2014), 129. 11 Demandt (32001), 77. 12 Das Gleiche gilt für die Methode der Oral History. Peter Knoch (1990) und Michael Stöcker (22014) griffen als einzige, der mir untergekommenen Forscher und Forscherinnen, explizit auf die Methode der Oral History zurück. Peter Knoch zeigt in seinem Kurzbeitrag anhand zweier Frauen, dass zwischen ihren (im Ersten Weltkrieg verfassten) Kinder-Kriegstagebüchern und ih- ren erzählten Erinnerungen in den 1980er Jahren Diskrepanzen bestehen. Michael Stöcker ließ in seiner Anfang der 1990er Jahre erstmals publizierten Studie (seine Magisterarbeit) gleich meh- rere Zeitzeugen und Zeitzeuginnen zu Wort kommen. Die Art und Weise, wie in diesen beiden Studien die Methode der Oral History eingesetzt wurde, erweist sich (lediglich) aus heutiger Sicht als problematisch. 13 Zu diesen Neuordnungsprozessen in Österreich vgl. Konrad/Maderthaner (2008).
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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