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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Forschungsstand | 31 lität eines Menschen auf die jeweilige individuelle Verarbeitung des Kriegsbeginns auswirkte, schwer zu beantworten. Sieht man einmal von den kriegslegitimieren- den Klerikern, Imamen und Rabbis, dem Genozid an den Armenierinnen und Ar- meniern, dem steigenden Antisemitismus oder den diversen Konflikten zwischen einzelnen Institutionen ab, herrscht über die konfessionellen Loyalitäts- und Ge- wissenskonflikte der breiten Masse in der Forschung noch weitgehend Unklarheit. Bis dato liegen nur wenige Arbeiten vor, die sorgfältig der Frage nachgingen, wie beispielsweise Juden und Jüdinnen spirituell in den Krieg zogen.76 Das Nachge- hen des konfessionellen Faktors stellt daher bis heute ein sehr schwieriges For- schungsziel dar. Auch in der vorliegenden Arbeit taucht die – wenngleich immer mitgedachte und – dem Wandel der Zeit unterliegende Konfessionskategorie nur äußerst selten auf. Aus heutiger Sicht steht außer Frage, dass die vielseitigen Zweifel, Sorgen und Ängste77 der Bevölkerung zu Kriegsbeginn bei Weitem nicht in den Ausmaßen an die Öffentlichkeit drangen wie die zur Schau gestellte und eingeforderte Solidarität mit den Soldaten.78 Ängste galten damals für gewöhnlich als Ausdruck von „Un- männlichkeit“, „Nervosität“ und „Schwäche“, was besonders in den ersten Kriegs- tagen dazu führte, dass sie weniger artikuliert werden durften. Und falls sie doch öffentlich artikuliert wurden (z.  B. von Tageszeitungen), dann diagnostizierte man die zu Papier gebrachten Ängste durchgehend bei anderen, nicht aber bei einem selbst. Dennoch wäre es nach Jay Winter „eine Anmaßung, zu denken, daß sich die Zeitgenossen der harten Wirklichkeit des Kriegs nicht bewußt waren“.79 Schließ- lich verschwanden sämtliche „Alltagsprobleme des materiellen Lebens [...] nicht im Nebel der patriotischen Rhetorik von 1914.“80 Am Ende war das „Verdecken von Angst und Zweifel in einem rhetorischen Kreuzfeuer [...] die natürliche Reak- tion auf eine sehr unbequeme Tatsache.“81 Dieser Befund gilt ohne weiteres auch für Graz, zumal dort bereits die Tageszeitungen auf ihren hinteren Seiten ständig über die Zweifel, Sorgen und Ängste (von Anderen) berichteten. An der „Heimat- 76 Zu den jüdischen Loyalitätskonflikten: Panter (2014); Grady (2011), 23–54; Welling (2003); Sieg (2001), 53–87, des Weiteren: Picht (1994). 77 Etwa vor Trennungen, vor Verwundungen, vor Amputationen, vor Gefangenschaft, vor dem Tod, vor der Beerdigung in „fremder“ Erde, vor Arbeitslosigkeit, vor Betriebseinschränkungen, vor Krankheiten bzw. Infektionen, vor Denunziationen, vor Versorgungsengpässen, vor Partizipati- onsverlusten, vor dem Verzicht (auf Sexualität, Drogen- und Genussmittel usw.) sowie prinzipiell die Angst vor Gewalt. 78 Mommsen (1995), 477. 79 Winter (1991), 90. 80 Ebd., 89. 81 Ebd.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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