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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Vier Leitpanoramen | 61 Nirgendwo schien der Begriff „Heimatfront“ auf. Trotz der damals weitgehend dichotomisch gedachten Trennung zwischen der Front und der „Heimat“ bestan- den realiter mannigfaltige Verbindungen. Unter diesen Verbindungen stechen die Feldpost, die „Liebesgaben“230, die Zeitungen231, die Etappe, das Kino, der Frontur- laub, die zurückkommenden Krankenschwestern, die Kriegsgefangenen sowie der sogenannte „Schlachtfeldtourismus“ hervor. Heutzutage weiß man, dass jede die- ser Verbindungen das Verhältnis zwischen der Front und der „Heimatfront“ ver- bessern oder verschlechtern konnte. Ein Feldpostbrief oder ein Feldurlaub konnte beispielsweise situationsbezogen dazu führen, dass sich das „Band“ zwischen der Front und der „Heimat“ festigte oder dass sich die „beiden“ Sphären entfremdeten. Sie waren demnach für die sozialen Konstellationen innerhalb eines Staats von enormer Bedeutung. Die „Heimatfront“ war im Endeffekt ebenso kriegsstützend, kriegsnotwendig und kriegsentscheidend wie das Kämpfen an der Front.232 Ihr oblag die Produktion/Wiederherstellung von ideologischem, menschlichem und technischem Kriegsmaterial. Am Ende wurde alles, was es an der „Heimatfront“ gab, als Kriegswerkzeug gehandhabt (Geräte, Geschosse, Getreide, Gemüse, Geld, Genealogie, Geschlecht, Gedrucktes, Glaube, Gerüchte usw.). Es war jedoch nicht immer von Anfang an klar war, zu welchem Zweck und gegen wen das jeweilige Kriegswerkzeug gerade eingesetzt wurde. Zeitungen beispielsweise waren – wie das Geschlecht – seit jeher funktionstüchtige Werkzeuge.233 Im Ersten Weltkrieg war das nicht anders, zumal die Zeitungen Politik nach ihren eigenen (Ordnungs-) Vorstellungen betrieben und sie die Art und Weise, wie sich Männer und Frauen an der „Heimatfront“ zu verhalten haben, als kriegswichtig erachteten. So wurde vieles in der „Heimat“ zur umkämpften „Waffe“, die nicht zuletzt durch Zeitungen, Vereine, Milieus, Konfessionen oder andere Akteure zum Einsatz kam. Nicht im- mer richteten sich diese „Waffen“ gegen den äußeren Feind. Wie noch zu zeigen sein wird, zogen die Grazer Zeitungen mit unterschiedlichen Forderungen an die 230 Vgl. den Lexikonartikel „Liebesgaben“ von Klaus Latzel in: Hirschfeld/Krumeich/Renz (22014), 679. Es wurden nicht nur Pakete an die Front geschickt. In Deutschland sandten während des „Steckrübenwinters“ (1916/17) viele deutsche Soldaten immer öfter Lebensmittelpakete an die „Heimatfront“, vgl. das Vademecum von: Krumeich (2014), 88  f., 90–92. 231 An der Front gab es nicht nur die Frontzeitungen/Kriegszeitungen, sondern es wurden dort auch die regulären Tageszeitungen gelesen. An der Front wusste man daher „genau“, was sich „so“ in der „Heimat“ abspielte. Viele Redaktionen warben dafür, dass Frauen und Angehörige von Sol- daten die Zeitung via (portofreier) Feldpost ins „Feld“ (=  „Heimatfront“, Etappe, Front) schicken sollten, vgl. etwa eine normierte (sozialdemokratische) Werbung: Schickt den „Arbeiterwille“ ins Feld!, in: Arbeiterwille, 23.2.1915, 3. 232 Vgl. dazu die Studien von Susan Grayzel und Christa Hämmerle. 233 Zum Geschlecht als „Waffe“ am Beispiel des deutschnationalen Milieus vgl. Zettelbauer (2005).
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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