Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Page - 81 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 81 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße

Image of the Page - 81 -

Image of the Page - 81 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße

Text of the Page - 81 -

Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache | 81 ihr Zeitgeschehen strukturierten, und nicht, wie es die Nachkriegsliteratur im Rahmen ihrer Kriegsverarbeitung leidvoll zu deuten versuchte.55 Der Frage, wie es um die vorhandene „Begeisterung“ und um die vorhandene „Kriegsbegeiste- rung“ 1914 bestellt ist, wird ebenso in den folgenden Kapiteln nachgegangen. Nun möchte ich einige vorkriegszeitliche Textstellen vorstellen, die explizit den Begriff „Kriegsbegeisterung“ aufweisen. In einem Arbeiterwille-Artikel aus den Märzta- gen des Jahrs 1912 berichtete man beispielsweise über das italienische Ancona wie folgt: „In Ancona, wo die Kriegsbegeisterung besonders große Wellen schlägt, hat sich ein bedauerlicher Unfall ereignet. Junge Schulmädchen spielten ‚Krieg‘ und in der Hitze des Gefechtes zog ein elfjähriges Mädchen einen Revolver und schoß auf die Gegnerinnen.“56 Das getroffene Mädchen starb. Selbst wenn man sich verge- genwärtigt, dass sich zu der Zeit Italien im Osmanischen-Italienischen Krieg (dem „Lybienkrieg“ von 1911/12) befand, so zeigt sich doch, dass die hier zur Sprache gekommene „Kriegsbegeisterung“ etwas anderes meint als die Augustbilder 1914. Nicht anders verhielt es sich mit den (wenigen) österreichischen Zeitungen aus dem Jahr 1866. Auch damals war der Begriff „Kriegsbegeisterung“ stark präsent. Darstellen möchte ich dies anhand eines Artikels, der bis auf die Feindbestim- mung problemlos im August 1914 gedruckt hätte werden können. Gedruckt wurde er aber während des „Deutschen Kriegs“ von 1866.57 Genauer gesagt erschien er kurze Zeit vor der Schlacht von Königgrätz (Hradec Králové) in der zur damaligen Zeit zweimal wöchentlich herausgegebenen Militär-Zeitung (Wien): „Keine Begeisterung ist reiner und fruchtbarer, als welche unmittelbar aus dem Herzen des Volkes quillt. Es sind dies die herrlichsten und unvergänglichsten Seiten im gro- ßen Buche der Geschichte, welche Zeugniß geben von diesem ehrfurchtgebietenden Aufschwunge eines Volkes, einer Nation, einer ganzen Generation. Wenn es galt, große nationelle [sic] Ideen zu verwirklichen, unvergängliche Werke, eines ganzen Landes Stolz und Zierde, zu errichten, oder aber die heiligsten und unveräußerlichsten Güter zu schirmen und zu vertheidigen, für Recht, Wahrheit und Ordnung einzustehen, von Thron und Vaterland jeden frevelhaften Angriff abzuwehren und für zugefügte Krän- kung und Beleidigung gerechte Satisfaktion zu erhalten – da hat es in Oesterreich nie- mals an des Volkes Begeisterung, Tapferkeit und Opfermuth gefehlt. In den allerjüngsten Tagen wieder sah sich Oesterreich gezwungen, das Racheschwert in die Hand zu neh- 55 Für Deutschland stellte z.  B. Thomas Raithel fest, dass „Einheit“ nicht immer dasselbe bedeutete, vgl. Raithel (1996), 467–497. 56 Die Kriegshetze und die Kinder, in: Arbeiterwille, 1.3.1912, 3. 57 Zum diplomatisch-militärischen Verlauf des „Deutschen Kriegs“ (auch „Preußisch-Österreichi- scher-Krieg“ genannt): Kořalka (1993), 39–45; Wagner (1987), 347–351.
back to the  book Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße"
Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Graz 1914