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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Grazer Gemeinderatswahlkampf | 85 Gegner, die bei den bürgerlichen Redaktionen judenfeindliche Grundhaltungen beinhaltete. Antisemitische Lebensentwürfe konstituierten seit jeher das deutsch- nationale und klerikal-konservative Milieu. Ende Juni las man beispielsweise im katholischen Volksblatt: „Deshalb gilt für uns [Christlichsoziale] heute nicht min- der [...  als] vor 20 Jahren die Pflicht, fest und treu zur Fahne des Antisemitismus zu stehen.“72 Die Grazer Sozialdemokratie, die durchaus deutschnationale Züge auf- wies, war weniger antisemitisch, was mitunter damit zusammenhing, dass einige Mitarbeiter des Arbeiterwillens jüdischen Glaubens waren. In den bürgerlichen Zeitungen war hingegen der Judenhass und die Judenfeindlichkeit virulent. Vor der Auflösung des Gemeinderats warnte zum Beispiel das Volksblatt vor einer „rote[n] Gewaltherrschaft“ des „jüdische[n] Obergenosse[n] Dr.  [Michael] Schacherl im Rathause“.73 Diese „Gewaltherrschaft“ würde jener des ungarischen Ministerpräsi- denten István Tisza gleichen. Die Intensität der gegenseitigen Presseattacken nahm von Tag zu Tag zu. Die Kleine Zeitung, das steirische „Mengenblatt“, entzog sich einer aggressiven Wahlkampfrhetorik, wenngleich ihr Nahverhältnis zum Volks- blatt klar ersichtlich war. Für die deutschnationale Tagespost galt es, „in Graz wie- der deutsches Wesen und deutsche Sitte zu Ehren zu bringen“.74 Auch das radikal deutschnationale Tagblatt erhoffte sich eine „Schaffung einer deutschfreiheitlichen bürgerlichen Mehrheit, in der wieder alle Gruppen der deutschbewußten Bevölke- rung von Graz entsprechend vertreten sind.“75 Das katholische Volksblatt, das Sprachrohr des Deutsch-freiheitlichen Wirtschaftsverbandes, trat für eine starke Beamtenschaft und ein starkes Gewerbe bzw. generell für einen starken Mittelstand ein.76 Keine der beiden bürgerlichen Seiten, weder die deutschnationale noch die klerikal-konservative Seite, hielt eine größere Wahlkampfveranstaltung ab. Konträr dazu verhielt es sich mit der Sozialdemokratie. Sie hielt am 22.  Juni sowie am 72 Was ist christlichsozial?, in: Grazer Volksblatt, 21.6.1914, 7. Das Volksblatt druckte hier eine Rede des christlichsozialen Wiener Gemeinderats Rudolf Solterer. 73 Die Grazer Gemeindekrise, in: Grazer Volksblatt, 15.6.1914 (Abendausgabe), 1. Zum biogra- fischen Hintergrund: Michael Schacherl (1869–1939), Arzt, Journalist, Politiker, arbeitete kurzzeitig als Sekretär von Victor Adler. Seine Arztpraxis leitete er bis 1905. Seit 1899 war er Chefredakteur des Arbeiterwillens, seit 1903 saß er im Grazer Gemeinderat, seit 1904 auch im Steiermärkischen Landtag. Von 1911 bis 1918 war er (cisleithanischer) Reichsratsabgeordneter. In der Nachkriegszeit war er Mitglied der provisorischen sowie der konstituierenden National- versammlung. Danach legte er seine Mandate nieder und arbeitete wieder als Arzt. Zwischen 1921 und 1934 war er 2.  Chefredakteur der Arbeiter-Zeitung (Wien). Vgl. Fischer (1994) sowie den Lexikonartikel „Schacherl“ in: Reismann/Mittermüller (2003), 424. 74 Die Auflösung des Gemeinderates, in: Tagespost, 24.6.1914 (Abendausgabe), 1. 75 Nach der Auflösung, in: Grazer Tagblatt, 25.6.1914 (Abendausgabe), 1. 76 Die Auflösung des Gemeinderates, in: Grazer Volksblatt, 24.6.1914 (Abendausgabe), 1.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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