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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Zur Trauerstimmung | 123 man ihrer Forderung nicht Folge leistete, zogen sie wieder ab. Nur wenige Tage später, am 1.  Juli abends, wiederholte sich der Vorfall mehr oder weniger. Nun war es aber nur mehr eine rund zehn Personen starke Gruppe, die vom nahegelegenen Wald aus das gleiche mit lauten Rufen forderte. Auch ihren Forderungen schenkte die Anstaltsleitung kein Gehör. Über diese beiden antiserbischen Demonstratio- nen berichteten auch andere Zeitungen und Zeitschriften der Habsburgermonar- chie. Sie alle distanzierten sich von diesen Aktionen vor der Lungenheilstätte. Pro- minentes Beispiel hierfür ist sicherlich Karl Kraus, der sich in seiner Fackel (Wien) über die Demonstrationen echauffierte.275 Allerdings fällt aus naheliegenden Gründen bei diesen auswärtigen Berichterstattungen auf, dass sie untereinander durchaus divergieren konnten. Beispielsweise kolportierten mehrere Nicht-Grazer Zeitungen, dass sich Hunderte Menschen an den Demonstrationen beteiligt hät- ten.276 Diese Zahlen widersprechen sowohl den Schätzungen der Grazer Zeitungen als auch den Angaben der Behörden.277 Auf die hier nur angedeutete, weil altbe- kannte Problematik hinter zeitgenössischen Zahlenangaben werde ich im Laufe der Arbeit mehrmals eingehen. Vorläufig sei nur festgehalten, dass die Zahlen- problematik so mancher Aussage einen Riegel vorschob. Schließlich betrieben die damaligen (politischen) Tageszeitungen mit ihren Berichten und Analysen viel- fach, aber nicht ausschließlich Parteipolitik. Der Böhmische-Volksbote, das Organ der Sozialdemokratie Südböhmens, schrieb beispielsweise, dass „die Klerikalen“278 hinter den Demonstrationen vor der Lungenheilstätte stecken würden. Andere Zeitungen hingegen verwehrten sich diesbezüglich einer Aussage.279 Die Grazer Quellen äußern sich in dieser Hinsicht ebenfalls unklar: „Ein Teil von den Demonstranten schrie: Nieder mit Serbien! Nieder mit den Roten! Dann schrien andere: Wir sind Sozialdemokraten, wir sind überzeugte Arbeiter! Wir [der Arbeiterwille] meinen, wenn ein organisierter Arbeiter dabei war, dann möge er seiner Organisation für den Stiefel, den er gemacht hat, Abbitte leisten und in Hinkunft fleißig die Ziele der Sozialdemokratie studieren, statt hinter dem Bierkrug den Sozi spie- len und hernach sich um eine Lacke Bier von jedem Esel lenken zu lassen. Die Organi- sation verurteilt aus Menschlichkeitsgründen diese beiden Demonstrationen, denn es 275 Die Lage der Deutschen in Europa, in: Die Fackel, 10.7.1914, 6. Vgl. auch: Sauermann (2000), 23. 276 Vgl. exemplarisch die Wiener Tageszeitung „Die Neue Zeitung. Illustriertes unabhängiges Tag- blatt“ und ihren Artikel: Demonstrationen in Graz, in: Die Neue Zeitung, 30.6.1914, 5. 277 Moll (2007a), 174  f. 278 Vgl. z.  B. Ueberfall auf eine Heilanstalt, in: Böhmerwald-Volksbote, 11.7.1914, 6. 279 Vgl. z.  B. Eine Gemeinheit. Antiserbische Kundgebung gegen Kranke!, in: Arbeiter-Zeitung, 30.6.1914, 4.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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