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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Innenstadt und Bahnhof142 oder Weiße26 der Tageszeitungen mittels Gesprächen diverse Zukunftsabwägun- gen. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf die am 25.  Juli abgehaltene Grazer Sight- seeing-Tour des serbischen Generalstabschefs Radomir Putnik verwiesen.27 Am 25.  Juli 1914 beendete Radomir Putnik seinen rund vierwöchigen Kuraufenthalt im oststeirischen Bad Gleichenberg. Die Rückreise mit der Bahn verlief über Graz und Budapest (Ofen-Pest, Pest-Buda). In Budapest wurde Putnik mit der Zustim- mung des transleithanischen Ministerpräsidenten István Tisza festgehalten. Einen Tag später konnte er aber auf Anordnung des Kaisers seine Rückreise nach Belgrad (Beograd) fortsetzen. Doch bereits seine Reise nach Budapest wurde eigenmächtig von einem lokalen Funktionär der steirischen Statthalterei verzögert bzw. verlang- samt. Die „Putnik-Affäre“ wurde von der steirischen Bevölkerung unterschiedlich bewertet. Das Spektrum reichte vom Akt der „Ritterlichkeit“ (im Sinne von: der Kaiser ließ ihn gehen) bis hin zur ungenützten Chance. Letzteres überwog (bei- spielsweise in den Statthaltereiakten) bei Weitem. Die Grazer Presse thematisierte hingegen den Besuch fernab jedweder militärstrategischer Abwägungen. Sie be- richtete darüber, wo Putnik wohnte, was er aß und trank oder warum seine mitge- reiste Tochter Radoyka Trauerkleidung trug (ihre Mutter starb 1913).28 Den Akt der Freilassung bezeichnete die bürgerliche Grazer Presse regierungskonform als „ritterlich“ (zum Teil auch mittels kommentarlos wiedergegebener amtlicher Drahtnachrichten).29 Das Tagblatt, das in der Sonderausgabe vom 27.  Juli ebenfalls von einem „Akt der ritterlichen Gesinnung“30 sprach, brachte in der Abendaus- gabe eine Korrespondenznachricht, die das in Wien kursierende Gerücht, dass Putnik erneut (dieses Mal in Semelin/Zemun) verhaftet worden sei, vorsichtig zu- rückwies: „Es ist wahrscheinlich eines von den vielen Gerüchten, die seit einigen Tagen umherschwirren.“31 Erstaunlicherweise gab es in Graz keine Übergriffe auf den serbischen Generalstabschef Putnik. Dies frappiert deswegen so sehr, weil in diesen Tagen die antiserbische und antislowenische Stimmung in Graz kaum zu übersehen war. In einigen anderen Städten wurden hingegen ausländische Politi- 26 Gemeint sind hier die Zensurstellen. Konfisziert wurde auch vor der Einführung der Präventiv- zensur (26.  Juli). 27 Der Abriss über die „Putnik-Affäre“ stützt sich, sofern nicht anders ausgewiesen, auf: Moll (2004a), des Weiteren: Moll (2007a), 232  f. 28 Der serbische Generalstabschef nach Belgrad abgereist, in: Arbeiterwille, 26.7.1914, 5. 29 Vgl. z.  B. Ritterliche Gesinnung gegen einen solchen Feind, in: Grazer Volksblatt, 27.7.1914 (Son- derausgabe), 3. 30 Der erste Kriegsgefangene, General Putnik, freigelassen, in: Grazer Tagblatt, 27.7.1914, 1. 31 General Putnik weiter in Haft?, in: Grazer Tagblatt, 27.7.1914 (Abendausgabe), 2.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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